Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
Vom Netzwerk:
zugleich aus. »Ein Kannibale bin ich wohl nicht,
und auch kein Mörder oder Sadist. Aber dort, wo wir nun hingebracht werden,
wimmelt es nur so von derlei freundlichen Zeitgenossen. Es ist nämlich ...«
    »... eines der schlimmsten Irrenhäuser im Lande!« ergänzte
ich und seufzte.

7
     
    »Spät, aber doch kommst du, Dude. Ich habe schon so lange
auf dich gewartet.«
    Brillantblaue Augen tauchten aus dem finstersten Winkel
der Brunnenhöhle wie eine Geistererscheinung auf, dann ein Gesicht. Ich
erkannte es sofort wieder – und doch hatte ich es noch nie vorher gesehen. Aber
Paps' Erinnerungen an die einstigen Bewohner dieses Ortes hatten sich mir so
stark ins Gedächtnis gegraben, daß ich mittlerweile jeden einzelnen von ihnen
so gut zu kennen glaubte, als wäre ich damals selber unter ihnen aufgewachsen.
Und das mir zwischen den modernden Gebeinen entgegentretende Gesicht hatte sich
mir besonders eingeprägt.
    Schließlich wurde der ganze Kerl sichtbar. Er trug über
dem braunbeigen Fell quasi eine Ganzkörper-Maske aus schwarzen Einfärbungen am
Gesicht, an den Ohren, dem Schwanz und an den Beinen. Der Kopf war keilförmig,
was der Erscheinung etwas Arrogantes verlieh, die Statur orientalisch schlank
und ziemlich muskulös. Doch der buchstäbliche Eye-Catcher bestand aus diesen
strahlenden Augen, in denen es wie Zauberfeuer loderte. Kurzum, ich hatte einen
wahren Apoll von einem Siamesen vor mir. Daß er mir trotz der preisverdächtigen
Empfindlichkeit meiner Sinne bis jetzt wie unter einer Tarnkappe verborgen
geblieben war, sprach für sein Können in dieser unserer Rasse höchsteigenen
Disziplin. Der Umstand aber, der mich umgehauen hatte, war seine Ähnlichkeit
mit dem aus Paps' Erzählung stammenden Portrait in meinem Schädel. Sein Name
war Eloi!
    Er stolzierte aus dem düsteren Winkel und näherte sich
mir, während ich rücklings immer noch ganz baff auf den Knochen lag.
    »Entschuldige, daß ich dich erschreckt habe«, sagte er mit
seiner geschmeidigen Stimme. »Aber dieser Ort birgt ein grausames Geheimnis,
und wer sich darin verirrt, ist mit höchster Vorsicht zu genießen. Du sahst
aus, als würdest du dich hier ein bißchen auskennen. Außerdem scheinst du nach
etwas ganz Bestimmtem zu suchen.«
    »Eloi!« Es war keine Frage, sondern eher der Widerhall
meiner konfusen Gedanken.
    Er blieb so abrupt stehen, als sei er gegen eine Glaswand
gestoßen, und blickte mich mit zehnfach intensivierter Glut an. »Eloi? Hast du
Eloi gesagt?«
    »Ja.«
    »Du kennst Eloi?«
    »Ja, ich kenne ihn. Aus den Jugenderinnerungen meines
Vaters. Ich heiße übrigens Junior.«
    Er nickte bedächtig, so als ob nun alles für ihn einen
Sinn ergeben würde. Dabei zeigte sich in dem wie von einer Airbrush-Pistole
schwarz gehauchten Siam-Antlitz eine Kombination aus theatralischer Melancholie
und einer Aha!-Miene. Er streckte sich vor mir lang. »Dann weißt du ja, was an
dieser unseligen Stätte vor vielen, vielen Jahren vorgefallen ist. Ich bin
Morlock und so eine Art Wächter des unterirdischen Massengrabs. Oder ein
hoffnungsloser Spinner, der die Vergangenheit nicht ruhen lassen will. Eloi war
mein Vater, aber ich habe ihn nie zu Gesicht bekommen. Als meine Mutter – sie
kam von auswärts – mit mir schwanger ging, wurde er ermordet. Vermutlich kennst
du ja die ganze Geschichte. Wie es so ist bei Kindern, die ihren Vater nie
gesehen haben, war ich die ganze Zeit besessen davon, ihn zumindest in der
Erinnerung kennenzulernen und nachträglich zu ihm eine Art von Nähe
herzustellen. Ich bin oft hier, um mich mit einem Verbrechen
auseinanderzusetzen, für das sich keiner mehr interessiert. Das ist meine Art
von Andenken an den Alten.«
    Er machte einen unendlich traurigen Eindruck. Er war ein
Verlorener in einem längst verlorenen Reich.
    »Ich kann dich verstehen«, sagte ich. »Auch mich hat es
magisch zu den Dudes hingezogen, kaum hatte ich von ihnen erfahren. Die Gerippe
hier zeugen ja noch heute von der Grauensnacht.«
    »Und weißt du auch, wer dafür verantwortlich war?«
    »Ich habe da so eine Ahnung«, erwiderte ich, weil ich
nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen wollte.
    »Dann erzähle ich dir zunächst meine Version. Nach diesem
entsetzlichen Blutbad kursierten die wildesten Gerüchte im Revier. Natürlich
kann man auf Gerüchte wenig geben. Doch ein klitzekleiner, wahrer Kern steckt
in jedem Gerücht, hab ich recht? Es gab damals einen unter den Dudes, der sich
stets für etwas Besseres hielt. Ein

Weitere Kostenlose Bücher