Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
Vom Netzwerk:
befreite
ich mich aus dem Haufen aus vertrockneten Blättern und Gestrüpp, in den ich
mich regelrecht hineingebohrt hatte, ging zur Seite und schüttelte mich
kräftig.
    »Francis, geht's dir gut?« hörte ich Blaubarts hallende
Stimme von oben durch die Röhre brüllen.
    »Und wie!« rief ich zurück. »Hätte ich gewußt, daß es im
Jenseits so toll ist, hätte ich vorher noch mein Premiere-Abo abbestellt.«
    Gleich darauf vernahm ich ein lautes Rauschen im Schacht
und sah schon im nächsten Moment, wie Blaubart gleich einem durch die
Serviceklappe geschmissenen Wäschesack herabsauste. Nur noch sein Kopf lugte
aus dem natürlichen Komposthaufen hervor. »Scheiße nein, ganz schön schummerig
hier!« war sein erster Eindruck.
    Es brauchte einige Sekunden, bis sich unsere Augen auf
Nachtsicht-Modus umgeschaltet hatten. Die gute Nachricht: Von Junior war weit
und breit nichts zu sehen, obwohl ich riechen konnte, daß er diesen von
Spinnweben, schwachsinnigem Mäuse-Proletariat, abgebrannten Kerzen und
inzwischen zu unförmigen Klumpen verpappten Büchertürmen beheimateten Ort
tatsächlich aufgesucht hatte. Die schlechte Nachricht war keine Nachricht,
sondern das Gefühl tiefster Schwermut in Anbetracht der zahllosen Gerippe um
uns herum. Gleich einer von Archäologen freigeschaufelten, uralten Totenstätte
gewahrten wir nichts als Knochen über Knochen. Für den Wissenschaftler ein Fund
von unschätzbarem Wert, war der Anblick für mich ein gnadenloses Skalpell, das
die längst verheilt geglaubten Wunden wieder offenlegte. Während ich den Blick
über die Gebeine und teilweise vollständig erhaltenen Skelette der Dudes
schweifen ließ, traten mir Tränen in die Augen. Gleichzeitig sagte mir die
Vernunft, daß es keinen Sinn hatte, längst beweinte Tote noch einmal zu
beweinen.
    »Wie sieht's aus, Francis? Bist du der Wahrheit inzwischen
ein Stück nähergekommen?« Metathrons Stimme klang in der Dunkelheit wie die
eines Geistes.
    Blaubart und ich fuhren herum und starrten ungläubig auf die
Fünferbande direkt hinter uns. Weder hatten wir das leiseste Geräusch gehört,
als die Abessinier in den Pflanzenhaufen hineingepurzelt waren, noch
irgendwelche Raschellaute vernommen, die unweigerlich damit einhergingen.
    »Noch so ein Trick, und ich melde euch zur Strafe bei
David Copperfield zum Putzdienst an«, sagte ich.
    »Scheiße ja«, ergänzte Blaubart. »Ihr werdet mir langsam
unheimlich.«
    »Was gedenkst du also zu tun, Francis?« Metathron ließ
sich nicht beirren und fixierte mich mit eisigem Blick.
    »'ne weitere Runde Eisschlecken, du Schmock!«
    Zirka eine halbe Stunde später standen wir vor der
abgewirtschafteten Villa. Ich hatte die anderen durch das stillgelegte
Wasserrohr ins Freie gelotst und war mit ihnen auf das unbebaute Terrain
geklettert. Nichts schien sich hier seit den unseligen Tagen verändert zu
haben. Und das war ungewöhnlich genug in einem Altbaugebiet, in dem inzwischen
jeder Quadratzentimeter mit Gold aufgewogen wurde. Weshalb ließ man ein solches
Filetstück an Bauland brachliegen? Wem gehörte es? Refizuls Erben oder, wie Dr.
Gabriel einmal beiläufig erwähnt hatte, der Anstalt Morgenrot? Doch Morgenrot war abgebrannt.
    Es gab doch eine Veränderung, wenn auch keine wesentliche.
Die Villa war nun vollends verrottet. Sogar ganze Mauern waren über dem
Fundament zu Schutthaufen zusammengefallen. Dem Dach war es stellenweise
genauso ergangen. Wir sprangen auf die völlig demolierte Veranda und spazierten
durch den nicht mehr vorhandenen Haupteingang in den Salon. Der aus den Löchern
beständig hereinrieselnde Schnee spielte den gnädigen Visagisten, der
aufzuhübschen versuchte, was schon längst unrettbar verloren war. Das Mobiliar
und das audiovisuelle Equipment hatten sich inzwischen entweder in seine
Bestandteile aufgelöst oder waren zu verschrumpelten Mumien ihrer selbst
geworden. Der Schnee überzog jeden Gegenstand mit einer dicken Schicht und
hatte selbst den großen Kamin und die spiegelverkehrt angelegten, zur Galerie
führenden Treppenaufgänge unter sich begraben.
    »Er war hier«, sagte ich, nachdem wir ins Zentrum des
saalartigen Raumes gelangt waren, der ein wenig dem Schloßvestibül der
Eiskönigin ähnelte.
    »Wie kommst du darauf?« wollte Metathron wissen.
    »Blut ist dicker als Wasser.« Ich deutete mit der Schnauze
auf den Boden. Obwohl durch den Schneefall die weiße Schicht in den letzten
Stunden wieder um einige Zentimeter angewachsen sein mußte, blitzte

Weitere Kostenlose Bücher