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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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den
Renovierungen de luxe wie kleine Paläste aus. Und hatten die verfallenen
Ziegelsteinmauern und verwilderten Gärten ehemals Ähnlichkeit mit Rudimenten
einer längst untergegangenen Kultur besessen, hätten sie heute selbst Ludwig
XIV. zum Lustwandeln eingeladen. Heimelig dämmerte es aus den original
rekonstruierten Fenstern der Rückfassaden.
    Wir alle sprangen auf den runden Brunnenrand und richteten
den Blick in den Schacht. Aus einiger Entfernung mochte unser Anblick wohl so
wirken, als steckte das Hexengetier über dem Schornstein des Hades die Köpfe
zusammen, um den Leibhaftigen heraufzubeschwören. Wie befürchtet präsentierte
der Brunnenschacht nichts als unergründliche Schwärze, in der der Wind einen
Dauerhall erzeugte. Das Ende des Schachts war jedenfalls nicht zu erkennen.
    »Herrje, man müßte ja fliegen können, um da unten
hinzugelangen«, sagte Metathron mit einem aufgesetzten Lächeln.
    »Keineswegs«, erwiderte ich und erklärte, wie ich es
damals angestellt hatte, völlig unversehrt den Brunnengrund zu erreichen.
    »Scheiße nein!« schaltete sich Blaubart ein. »Denkst du
auch, was ich gerade denke, Francis?« Über sein halb eingefallenes Gesicht mit
der einen schrumpeligen Augenhöhle legte sich tiefste Besorgnis.
    »Leider ja, Kumpel. Aufgeputscht durch die Jugendabenteuer
von Papa Tausendsassa ist dieser dämliche Kerl in der Nacht losgezogen, hat den
Brunnen gefunden und sich dann wie das väterliche Vorbild einfach in die Röhre
fallen lassen. Im Gegensatz zu seinem Alten erwartete ihn jedoch am Ende der
Flugreise kein bequemes Bett, sondern der nackte Steinboden. Vermutlich liegt
er jetzt dort unten mit gebrochenem Genick mausetot herum.«
    Die Abessinier wechselten untereinander vieldeutige
Blicke. Doch obercool, wie sie nun einmal waren, schienen sie von meiner
Horrormutmaßung nicht besonders beeindruckt zu sein. Es sei allerdings erwähnt,
daß ich das befürchtete Szenario deshalb in so dramatischen Farben ausgemalt
hatte, weil ich die komischen Burschen unbedingt zu einer Reaktion provozieren
wollte. Sie wußten mehr, als sie vorgaben, davon war ich überzeugt. Aber nichts
geschah. Nachdem die geheimnisvollen Blicke ausgetauscht waren, schauten sie
wieder so interessiert drein, als ginge es hier um die Frage, ob das Schnappen
nach Mücken nach der Hauptspeise den delikaten Nachgeschmack im Maul
neutralisiert. Dafür merkte ich Blaubart an, wie er geradezu in sich
zusammenfiel. Nach dem mühseligen Marsch durch den Schneesturm schien für
meinen in vieler Hinsicht deformierten Partner ohnehin das Ende der
Fahnenstange erreicht. Aber der Gedanke, daß Junior tot sein könnte, kam für
ihn einem Stoß gleich, der ihn endgültig niederwarf. Er hatte den Bengel
genauso lieb wie ich.
    »Uff!« machte mein mitgenommener Freund und sank auf die
Knie. »Scheiße nein, Francis, also, wenn das wirklich wahr ist, dann hättest du
letzte Nacht besser die Klappe halten sollen. Du weißt doch, wie sehr der Junge
dir nacheifert.«
    »'tschuldigung, wenn ich eure Vertraulichkeiten
unterbreche«, sagte Metathron. »Aber wie geht es nun weiter?«
    »Hast du auch was zu vermelden, du Knilch?« blaffte
Blaubart. »Niemand hat euch
Sogar-der-Pharao-hat-sich-unsere-blöde-Visage-auf-seinen-Sarkophag-gravieren-lassen-Typen
gebeten mitzukommen!«
    »Ruhig Blut, Blaubart.« Ich wandte mich an Metathron. »Du
hast recht, Kumpel, wir dürfen keine Zeit verlieren. Das einfachste ist, ich
springe jetzt da hinein, um meine Vermutung zu überprüfen.«
    Sofort war Blaubart wieder auf den Beinen, und ich
bemerkte, daß er jetzt leicht zitterte. »Bist du jetzt endgültig
übergeschnappt, Francis? Du hast doch eben gesagt, daß Junior vielleicht so ums
Leben gekommen sein könnte.«
    Ich lächelte milde. »Eben drum, Blaubart. Du glaubst doch
nicht im Ernst, daß ich noch weiterleben möchte, wenn mein geliebter Sohn nicht
mehr unter den Lebenden weilt«, sagte ich und ließ mich dann in den
Brunnenschacht fallen.
    Zum zweiten Mal in meinem Leben vollführte ich nun also
einen Flug durch die Finsternis, ohne zu wissen, welche weitere Existenzform
mich am Ziel der Reise erwartete. Entlang der aus dem Mauerwerk
herauswachsenden, kahlen Äste und durch den Luftzug leise schwingenden
Spinnennetze ging es im rasanten Tempo abwärts. Um es kurz zu machen, es kam
unten nicht zu einem Zusammentreffen zwischen meiner weichen Birne und dem
harten Stein, sondern ich landete wie erhofft im gemachten Bett. Rasch

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