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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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und
begaben uns auf das Eis. Plötzlich merkte ich, daß die Abessinier uns nicht
folgten. Ich drehte mich um und sah sie nebeneinander in einer Reihe auf ihren
Hinterbeinen sitzen wie von einem Künstler geformte Schneemänner.
    »Was ist, kommt ihr nicht mit?« fragte ich.
    »Leider nein, Francis«, antwortete Metathron. »Du und
Blaubart müßt die Prüfung alleine durchstehen. Aber vor allem kommt es auf dich
an, lieber Freund. Doch keine Sorge, im Geiste sind wir stets bei euch.«
    »Von welcher Prüfung redest du überhaupt?«
    Eine heftige Schneeverwehung schob sich mit einem Mal
zwischen uns, und Eure Merkwürdigkeiten waren nicht mehr zu sehen. Was
Merkwürdigkeiten betraf, hatte ich davon gleichgültig in welcher
Erscheinungsform inzwischen ohnehin die Nase gestrichen voll. Alles, was ich
wollte, war meinen Sohn wieder in die Pfoten schließen und danach meinen
Hintern respektive den süßen von Sancta an Gustavs warmen Kamin schieben, bis
wir am Ende vor Gemütlichkeit platzten. Kurz, ich träumte den Traum aller alten
Säcke.
    Blaubart und ich trippelten auf dem Eis in Richtung der
Insel. Bald war das zurückliegende Ufer nicht mehr zu sehen. Mir ging auf, daß
ich quasi über meine eigene Vergangenheit spazierte. Beinahe wäre ich damals in
dem Wasser ungekommen, das sich jetzt unter dieser Eisschicht verbarg.
Persönlich hatte ich sogar den Eindruck, daß ich tatsächlich ertrunken war.
Doch irgendwer hatte mich schlußendlich gerettet. Und dann? Was war dann
passiert? Es schien einen gewaltigen Riegel zu geben, welcher mit aller Macht
verhinderte, daß sich eine bestimmte Kammer in meinem Gedächtnis öffnete. Hätte
Junior mich nicht aufgefordert, von meinen Anfängen zu erzählen, dann ahnte ich
heute noch nichts von der Existenz dieser Kammer. Vielleicht, so dachte ich
nun, sollte man nicht allzuoft nach den Leichen im Keller sehen.
    »Schau, Francis!« rief Blaubart aus und blieb abrupt
stehen. »Scheiße nein, da scheint jemand echt ein großes Problem mit der Kälte
gehabt zu haben.«
    Etwa auf halber Strecke ragte Charon in seiner vermoderten
Fähre wie eine bizarre Freiheitsstatue aus dem Eis hervor. Der knochige,
hohlwangige Runzelgreis mit ledernem Schlapphut und der überlangen Pelerine
stützte sich auf seinen Holzpflock und hatte einen ausgestreckten Zeigefinger
auf die Insel gerichtet. Die krumme Körperhaltung, die tief in den Höhlen
liegenden, aufgerissenen Augen, der bösartige Blick – alles war eigentlich wie
früher. Nur war der Fährmann samt seinem Vehikel diesmal so vergletschert, als
hätte er ein Bad in flüssigem Stickstoff genommen.
    »Normalerweise verlangt er einen Goldtaler«, sagte ich.
»Das bedeutet nichts Gutes.«
    Wir erreichten die Insel und eilten einen pompösen
Treppenaufgang hinauf. Die gläsernen Schiebetüren öffneten sich automatisch,
und wir huschten in das Mammutgebäude. Ich muß zugeben, daß es im Leben
Schlimmeres gibt, als von minus zehn Grad in wohlige plus zweiundzwanzig
einzutauchen. Trotzdem hatte ich vom ersten Moment an das Gefühl, als hätte ich
im Heißhunger eine Ratte verschlungen, obwohl deutlich zu erkennen gewesen war,
daß das Biest ziemlich krank war. Unser neuer Aufenthaltsort indes hätte
erlesener nicht sein können. Gleich mehrere Steinbrüche in Italien hatten für
diesen Luxus ihre Reserven an Bianco-Carrara-Statuario-Marmor bis auf die
letzte Schicht hergeben müssen. Die Empfangshalle, die eher die Größe einer
Sportarena für internationale Wettkämpfe besaß, war gepflastert mit dem Zeug.
Tausende von winzigen Lämpchen, die in den Stein eingelassen waren, leuchteten
wie eine Invasion von Glühwürmchen.
    An der linken Flanke befand sich der einzige Fahrstuhl,
und wie es aussah, war er nicht besonders geräumig. Seltsam. Wenn man davon
ausging, daß in dem Gebäude locker tausend Leute beschäftigt waren, mußten sich
wohl vor dieser Tür stets lange Schlangen bilden. Interessant jedoch war der
Rahmen der Fahrstuhltür. Diesmal funktionierte mein Gedächtnis reibungslos, und
ich wußte sofort, wo ich so etwas schon einmal gesehen hatte. Wie das Portal
der ehemaligen Anstalt Morgenrot hatte auch dieser Rahmen Fratzen,
Torsos, Tiergestalten und Mythenwesen zum Motiv. Die teils reliefartigen, teils
statuesken Figuren schienen im Moment intensivsten Jammers und Schmerzes
porträtiert. Der einzige Unterschied zum alten Kloster war, daß sie hier
augenscheinlich aus Massivgold bestanden.
    Die Hauptüberraschung kam aber, als ich

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