Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
torkelte nur noch blutend herum. So habe ich den Bedauernswerten von seinem Leiden erlöst.«
»Wie selbstlos von dir. Jedenfalls bin ich froh, daß ich keinen Pickel auf der Nase habe. Es hätte vermutlich wieder den Samariter in dir geweckt. Und die hier ...«
Ich deutete mit dem Kopf auf die Skelette.
»Haben die auch um einen Genickbiß gebettelt?«
»Keine Ahnung. Sie lagen schon hier, als ich diese Höhle vor Jahren auf der Suche nach einem sicheren Schlafplatz fand. Damals war der Wald noch gesund und der ganze Felsen von Pflanzen überwuchert, so daß er ein gutes Versteck abgab. Jetzt ragt er empor wie ein nackter Arsch am Badestrand und lädt geradezu zu einer Besichtigung ein.«
»Weißt du überhaupt, wessen Knochen das sind?«
»Selbstverständlich. Es sind die von dem Schwarzen Ritter und seiner Dogge, von denen die Idioten da draußen behaupten, sie würden im Wald immer noch gemütlich ihre Runden drehen. Doch wenn ich irgendwo auftauche und den Leuten die Wahrheit erzählen will, nehmen alle schlagartig Reißaus, als hätte ich ihnen das Angebot gemacht, in einem harten Sodomisten-Streifen mitzuspielen. Ich habe die Gerippe in dem Zustand gelassen, in dem ich sie fand, weil ich Achtung vor den Toten habe und ihnen die Würde nicht nehmen wollte. Vermutlich sind die beiden irgendwo im Wald angefallen worden und haben sich dann mühsam in diese Höhle schleppen können. Auch im Tod waren sie also unzertrennlich.«
»Was glaubst du, wer jetzt statt ihrer die gemütlichen Runden dreht?«
»Weiß der Henker. Das ganze Affentheater interessiert mich auch nicht mehr.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich eine lange Reise antreten und nie mehr zurückkehren werde an diesen verfluchten Ort.«
»Demnach möchtest du mir auch nicht verraten, welche Art von Bluthunden letzte Nacht hinter mir her waren?«
Er lächelte listig und zwinkerte mir verschmitzt zu.
»So ein überragender Klugscheißer wie du kriegt das schon von ganz allein heraus, Francis. Du benötigst meine Hilfe nicht. Ich beobachte dich, seitdem du aus diesem Kanalloch rausgekrochen bist, und muß gestehen, daß ich noch nie jemandem begegnet bin, der sich nur um der Neugierde willen solche mörderischen Probleme aufhalst. Nun, auch ich habe diese Schlächtereien zu verhindern versucht, soweit es in meinen Kräften stand. Aber entweder waren sie in der Überzahl oder ich kam zu spät, wie du nach dem gestrigen Massaker auf dem Gehöft selbst miterlebt hast.«
»Dann sag mir, wer sie sind! Wenn du einen Funken an Verantwortungsgefühl hättest, dann würdest du das tun.«
»Das kann ich nicht, Francis.«
»Aber warum denn nicht, um Himmels willen?«
Er hob die rechte Pranke in die Höhe, und sein Gesicht verzerrte sich zu einer schmerzdurchdrungenen Grimasse. Sie glich dem leidenden Ausdruck eines Vaters, der seinem Kind nicht die ganze Wahrheit erzählen darf, weil es sonst den Verstand verlieren würde. Dann legte er die Pranke behutsam auf meinen Schädel und tätschelte ihn fürsorglich.
»Weil es dein Tod wäre, Francis, denn wie ich dich einschätze, würdest du ihnen um jeden Preis ins Angesicht schauen wollen. Doch du kennst sie nicht. Sie sind außer Kontrolle geraten, und ein Leben ist ihnen so viel wert wie ein vertrocknetes Ahornblatt, das man zertritt. Blut ist ihre Droge geworden und das Morden und Meucheln ein zwanghaftes Ritual. Sie sind Mißgeburten, die der Haß auf Intakte, die ein artgemäßes Leben führen, noch mehr deformiert hat. Ihr Gott ist der des Schmerzes, weil sie selbst so unendlich viele Schmerzen erleiden mußten. Aber nur die wenigsten macht der Schmerz weise, Francis. Die meisten verwandelt er in Folterknechte, die ihrerseits davon besessen sind, anderen Schmerzen zuzufügen. Schlag sie dir aus dem Kopf, mein Freund. Sie sind ohnehin nicht überlebensfähig, weil sie sich der Natur nicht anpassen können, und werden bald vom Erdboden vertilgt sein. Auf ein paar Ermordete mehr oder weniger kommt es dabei nicht an.«
Ein furchtbares Gefühl des Versagens bemächtigte sich meiner. Ich war der Auflösung gleich am Anfang so verdammt nahe gewesen. Die Umschreibungen von Acht trafen nämlich nur auf eine einzige Clique zu: das Volk der Barmherzigen. Sie hatten mir in der Kanalisation ein steineerweichendes, schäbiges Passionsspiel vorgegaukelt. In Wahrheit verließen sie die Unterwelt regelmäßig, um ihre Blutrituale draußen auf den Bauernhöfen fortzusetzen. Als Ablenkungsmanöver benutzten sie die Legende
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