Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
ausgeweitet. Alle Zeugen, die den Schwarzen Ritter gesehen zu haben glaubten, waren lediglich einer optischen Täuschung erlegen. Nun, da ich meiner Detektivpflicht Genüge getan hatte, konnte ich ja beruhigt sterben.
Aber in letzter Sekunde fiel mir noch, wie ich dachte, ein unheimlich schlauer Trick ein. Ich würde so tun, als hätte ich die Pranke gar nicht erst gesehen. Dann würde ich den Blick in eine andere Richtung schweifen lassen, mich mit der Gelassenheit eines Spaziergängers, der sich zufällig in die Höhle verirrt hat, umdrehen und langsam zum Ausgang lustwandeln. Wenn das Monster irgendwelche Anstalten zum Springen machen sollte, würde ich blitzartig den Gepardengang einlegen, wie wir unseren effektivsten Notsprint in Anlehnung an einen sehr berühmten Verwandten zu bezeichnen pflegen. Fürwahr, eine geniale Idee!
Ich wandte dem Molch den Rücken zu.
»Keine falsche Bewegung, Freundchen!«
Irgendwie hatte ich es geahnt: Es war doch keine so geniale Idee. Die tiefe Baßstimme klang wie die eines unbarmherzigen griechischen Gottes, der es gewöhnt ist, aus Jux und Dollerei ganze Königreiche zu vernichten. Sie schien keine Widerworte zu dulden, weil sich bis jetzt niemand bereit gefunden hatte, Widerworte zu geben.
Tapfer drehte ich mich wieder um.
»Ich habe beim Tierschutzbund ein Papier hinterlegt, das besagt, daß die Erstürmung dieser Höhle durch eine Antiterroreinheit freigegeben ist, sollte ich zum Abendessen nicht zu Hause sein«, sagte ich mit zitternder Stimme.
»Es freut mich, daß du dir trotz deiner strapaziösen Abenteuer deinen Humor bewahrt hast, Francis«, entgegnete der Baß. »Da hast du Glück. Ich habe nämlich auch Humor.«
Ja, dachte ich, den von Caligula. Dann beugte er sich ganz langsam ins Licht, und ich erkannte, daß ich keineswegs mit einem Monster die Ehre hatte, sondern mit einem Lynx canadensis oder auf deutsch gesagt mit einem Luchs, genauer einem Kanadaluchs. Ein Luchs also war es gewesen, den ich für ein Monster gehalten hatte. Bloß wo lag der Unterschied? Er besaß ein dickes, gelblich-braun gefärbtes Fell mit schattenhaft gezeichneten Flecken. Der Schwanz war kurz und wies mehrere dunkle Ringe und eine ebenfalls dunkle Spitze auf. Die Ohrenspitzen trugen schwarze Haarbüschel, und den Hals umgab eine auffallende Fellkrause.
Von draußen drang eine Serie von ohrenbetäubenden Donnerschlägen herein; das Gewitter hatte also endlich losgelegt.
»Komisch, daß du dich so vor mir fürchtest, Francis. Dabei bin ich doch derjenige gewesen, der dich heute morgen vor deinen Verfolgern gerettet hat.«
»Um mein Fleisch nicht mit anderen teilen zu müssen?«
»Was würdest du tun, wenn ich ja sagen würde?«
»Vielleicht beten.«
»Beten ...?«
Er lachte gallig wie über einen faulen Witz. Dabei verfinsterte sich sein Blick, als hätten meine Worte in ihm eine traurige Saite zum Klingen gebracht.
»Wenn du Gott suchst, Francis, dann mußt du dich in die Kirche begeben. Vielleicht erteilt er dort Audienzen und spielt seinen eigenen Soundtrack auf der Orgel. Hier draußen jedenfalls ist er nie anzutreffen.«
»Und warum willst du mich auffressen?«
»Das alte Lied: Hunger!«
»Wie ist dein Name, du mächtiges Tier?«
»Acht.«
»Das ist kein Name, sondern eine Ziffer.«
»Was du nicht sagst, du Klugscheißer.«
Dann tat er etwas, was beinahe schon ausgereicht hätte, um in mir vorzeitig die Todesstarre auszulösen. Er sprang nämlich von seinem hohen Sitz herunter, und für einen Moment stellte ich mir die ziemlich berechtigte Frage, ob dieser von stählernen Muskeln und Sehnen geführte Gigant in seinem strahlend beigen Fell wohl das letzte war, was ich in meinem Leben sah. Flammend hell leuchtende Augen flogen auf mich zu, wurden größer und größer und stoppten erst, als sie die Ausmaße von gewaltigen Scheinwerfern erreicht hatten. Als ich mir wieder ein Herz faßte und aufblickte, sah ich, daß sein riesiger Kopf wie ein düsterer Planet über mir schwebte. Er beobachtete mich unschlüssig, so als überlege er sich, ob mein Kopf komplett in sein Maul hineinpaßte.
»Sag mal, Acht - oder war es Neun? Entschuldige, mir fehlt augenblicklich die Konzentration für höhere Mathematik. Sag mal, das mit dem Hunger hast du doch nicht ernst gemeint, oder? Ich meine, du siehst aus, als könntest du ein paar Kilo abspecken.«
»Beruhige dich, Francis. Ich werde dir nichts antun. Außerdem habe ich vor einer Stunde Zaches gefressen. Er war verwundet und
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