Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
wenn schon nicht Schönheit, so doch Leben einzuhauchen. Und wie in meiner jüngsten Vision schienen sie ein satanisches Geheimnis zu hüten, fanatisch entschlossen, jeden zu vernichten, der es zu lüften wagte. Diese Augen jagten mir Furcht ein, doch daneben empfand ich unsäglichen Haß gegen sie, weil ich instinktiv ahnte, daß sie in Wirklichkeit lediglich die Augenschlitze der Masken von Mördern waren.
Ich wandte mich von dem Gemälde ab und begab mich durch eine enge Tür in den finsteren Flur. Rechterpfote lockte eine auf den ersten Blick unscheinbare Kammer. Ich ging hinein und sah mich wider Erwarten schon am Ziel meiner vagen Suche angekommen. Entlang der vier Wände waren ein stählernes Pult mit fest installierten kleinen Monitoren, Reglern, Knöpfen und Leuchtdioden, mehrere Computer und weitere für den Laien kaum zu definierende elektronische Instrumente aufgebaut. Alles deutete darauf hin, daß in dieser Minizentrale die aus dem All eintreffenden Bildinformationen von ARCHE ausgewertet wurden. Ich sprang auf den Tisch und entdeckte dort tatsächlich einen umgeschmissenen Stapel riesiger Fotos, die aus der Vogelperspektive aufgenommene Landschaftsausschnitte zeigten. Es befanden sich viele Vergrößerungen darunter. Faszinierend, in welch hervorragender Qualität diese Himmelstrabanten selbst winzigste Gebilde auf der Erde konturscharf erfassen konnten.
Aus dem Fenster linksseits ergoß sich das grelle Leuchten der Blitze in den Raum und verhalf den Fotos zu einer Klarheit, die irritierende Details zu Tage förderte. Konnte es denn wahr sein, was ich sah? Oder litt ich mittlerweile unter einer Art Detektivkrankheit, die stets das sehen ließ, was der Detektiv sehen wollte? Großer Gott, das Augenmerk des Satelliten war in Wirklichkeit gar nicht auf die Baumschäden gerichtet, wie Ambrosius behauptet hatte! Auf keinem der Bilder. Oberflächlich betrachtet, handelte es sich um beliebige Wald- und Wiesenaufnahmen. Doch hockte da nicht ein Tier mit einem buschigen Schwanz auf dem Ast eines ausgedörrten Baumes? Und schwammen dort nicht mehrere von derselben Sorte in einem Bach? Vor Aufregung zitternd, wühlte ich weiter in dem Stapel, bis mir das Foto in die Pfoten geriet, das mich regelrecht umhaute. Es zeigte eine Vergrößerung von dem Tal mit dem Gehöft, das ich gestern aufgesucht und nach dem Auffinden der vielen Leichen in Panik wieder verlassen hatte. Aber das Foto zeigte noch mehr. Auf dem Hügel in Richtung des Anwesens erstreckte sich eine Karawane, und es war leicht zu erraten, in welcher Absicht sie den menschenleeren Bauernhof ansteuerte. Der Schnappschuß präsentierte die Karawane der Mörder, die in wenigen Minuten ein Massaker unter den Domestizierten anrichten würde. Auf dem unteren Bildrand waren das gestrige Datum und die Zeitangabe »12:27« vermerkt. Um den Dreh mußte ich noch in der Kanalisation gesteckt und mit Safran und Niger die Ratte verspeist haben. Folgerichtig schieden die Blinden als Verdächtige endgültig aus.
Selbstverständlich wäre es nun eine Leichtigkeit gewesen, die Identität der Mörder zu benennen - wenn das Satellitenfoto das letzte Geheimnis nicht für sich behalten hätte. Denn die Gestalten auf den Aufnahmen taten sich lediglich als schemenhafte Silhouetten hervor. Oft glichen sie unförmigen Flecken, verursacht durch die grobe Körnung des Filmmaterials. Woher ich dann wußte, daß es sich um Tiergestalten handelte? Ihre grünen Augen! Einige von ihnen hatten im Moment der Ablichtung aufgeblickt, als spürten sie intuitiv, daß sie aus dem All bespitzelt wurden. Deshalb mußte ich unbedingt herauskriegen, was die Videokassetten beinhalteten.
Mit einem Riesensatz sprang ich vom Pult herunter und hetzte wieder in das Atelier zurück. Dort rammte ich die Zähne in die nächstbeste Kassette aus der untersten Reihe und zog sie aus dem Regal heraus. Ich schob sie in den Schlitz des Videorecorders und drückte die Play-Taste. Zunächst blieb der kleine Bildschirm schwarz, was mich vor Frustration beinahe zum Platzen gebracht hätte. Aber dann erschien plötzlich ein Bild von überschwenglicher Ausgelassenheit. Männer mit langen Haaren und Bärten, zumeist in Latzhosen, saßen in einer Waldlichtung an einem großen Holztisch und grölten aus vollem Halse ein schwerverständliches Juxlied. Sie hatten mächtig einen sitzen, darauf deuteten auch die unzähligen leergetrunkenen Weinflaschen hin. Die Männer schienen irgend etwas zu feiern. Die wackelige Kamera,
Weitere Kostenlose Bücher