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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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diese Aussagen tatsächlich? Der Übersetzer der Angaben hieß nämlich ebenfalls Ambrosius. Entweder hatte er bewußt falsch übersetzt, oder er beherrschte in Wahrheit die Sprache der anderen Waldbewohner gar nicht. Das ganze Ermittlungsunternehmen lief bei Lichte besehen unter dem Stichwort Desinformation des Feindes.
    Eine Kleinigkeit störte allerdings den erlösenden Moment der alles erklärenden Auflösung: Ambrosius war nicht der Mörder. Weder traute ich diesem Schöngeist solche perfiden Grausamkeiten zu, noch glaubte ich daran, daß ein einzelner imstande sein könnte, so umfangreiche Gemetzel auszuführen. Nein, Ambrosius war nur ein Werkzeug im Dienste dunkler Mächte, gleichsam ein idealistischer Blender, der um jeden Preis die Mörder decken wollte. Aber weshalb? Was war der Grund, daß ein so intelligenter und liebenswürdiger Artgenosse sich für die böse Seite einsetzte?
    Ich hatte plötzlich eine großartige Idee, wer mir diese Frage beantworten konnte: Ambrosius! Ich mußte ihn aufsuchen und mir von ihm berichten lassen, weshalb er sich von seinen Vorstellungen über das harmonische Zusammenleben aller Tiere, über die lebensbejahende Seite der Natur verabschiedet hatte und mit elenden Mördern paktierte. Denn wenn ich auch noch nicht alles wußte, eins wußte ich mit absoluter Sicherheit: Er war im Grunde seines Herzens ein gutes Tier.
    Mit einem Mal kam mir die ganze Höhle wie ein stickiger Knast vor, und auch die faszinierenden Wandmalereien verloren auf einen Schlag all ihren Reiz. Ohne darüber nachzudenken, was für Konsequenzen ein Besuch bei Ambrosius für mich nach sich ziehen würde, stürzte ich durch die Felsspalte hinaus. Der Versteinerte Wald hatte in der Zwischenzeit sein Endzeit-Outfit mit zusätzlichen Katastropheneffekten angereichert. Über der Wüste aus totem Holz ging ein imposanter Schauer nieder, welcher seine Vorgänger bei weitem übertraf. Der Brachialguß ließ die kaputte Landschaft nur schemenhaft erkennen, ungefähr so, als stünde man genau unter einem Wasserfall. Komplizierte Blitzverästelungen schossen aus dem Schlachtengemälde des fast schwarzen Wolkenhimmels hervor und tauchten jede noch so kleine Ritze in grelles Geflimmer. Unaufhörliches Donnergrollen begleitete den optischen Horror wie nahes Artilleriefeuer.
    Binnen Sekunden war ich klatschnaß, ein Umstand, den ich mittlerweile beim Arbeitsgericht als Berufskrankheit hätte durchprozessieren können. Ich rannte wie von Sinnen in Richtung des gesunden Teils des Waldes. Jeder auftreffende Regentropfen in meinem Fell war der Stich eines abgeschossenen Pfeils und jedes Stolpern über Geäst der Hieb eines Schlagstocks auf meine empfindlichen Pfoten. Doch irgend etwas war diesmal anders, unterschied sich grundlegend von den vorangegangenen Hetzereien. Etwas Sonderbares ging mit mir vor, ohne daß ich es näher spezifizieren konnte. Als »Psi-trailing« hatte Ambrosius dieses Phänomen bezeichnet, das unbewußte Zubewegen auf ein Ziel, das mit dem herkömmlichen Orientierungssinn kaum zu erklären war. Ich hatte gezweifelt und es als esoterischen Humbug abgetan. Nun erfuhr ich an mir selbst, wie der Wunsch zum Willen werden konnte und der Wille wiederum zur Besitzübernahme jeglicher körperlicher Kontrolle. Es war ein automatischer Vorgang. Ohne die Beeinflussung ihres Eigentümers schlugen die Pfoten eine Richtung ein, die ich nicht bewußt bestimmt hatte, und galoppierten mit einem selbstmörderischen Tempo drauflos. Offenbar veranstalteten sie eine Art Revolte. Dabei blieb der Verstand nicht abgeschaltet. Vor meinem geistigen Auge tauchte durch Regenschauer und Pflanzendickicht hindurch das anvisierte Waldhaus wie eine unscharfe Projektion auf. Unheimliche Schatten schwirrten überall herum, huschten ins Haus, erkletterten das Dach und sprangen durch die Fenster, als handle es sich um einen planmäßigen Überfall. Die Gestalten waren nicht näher zu identifizieren, weil das Bild wie von einem Ölfilm überlagert heftig schwankte. Dennoch gab es Dinge in diesem Bild, die stets klar und deutlich blieben, um nicht zu sagen aufleuchteten: Augenpaare! Augenpaare, anscheinend meiner Spezies zuzuordnen, glühten mit der Intensität von erhitztem Metall, während sie eifrig hin- und herschossen oder die Umgebung aufmerksam beobachteten.
    Woran erinnerte mich diese Vision bloß? Ein ähnliches Bild hatte ich doch noch unlängst gesehen. Es fiel mir wieder ein. Das hingeschmierte Gemälde, an dem Diana arbeitete,

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