Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
Mörder, das satanische Wesen, das uns alle in diese elende Lage geritten hatte, oder was immer es auch war. Ich vermochte kaum auseinanderzuhalten, ob es eine durch meine angespannten Nerven hervorgerufene Fata Morgana war oder ob meine Augen tatsächlich das erspähten, was ich zu erspähen glaubte. Zirka zweihundert Meter Luftlinie trennten mich von dem wie zusammengekauert wirkenden Schatten auf der gegenüberliegenden Seite der Senke. Genauso wie ich hatte er sich am Rand niedergelassen und beobachtete das Geschehen unten im Tal. Jedenfalls schien es so. Selbstverständlich war es ein Ding der Unmöglichkeit, in der sich gegen den tiefblauen Himmel abhebenden Silhouette eine spezifische Gefühlsregung oder irgendeine Intention auszumachen. Zumal die Gestalt wegen ihrer gekrümmten Haltung aus der Distanz sowohl ein Tier als auch ein Mensch als auch ein Nachtdämon sein konnte. Dennoch vermeinte ich in ihren unwillkürlichen Bewegungen einen Hinweis auf ihren häßlichen Charakter erkennen zu können. Der ganze Körper dieses Schreckgespensts bebte ununterbrochen, als schütte es sich vor Lachen aus. Ich bildete mir sogar ein, sein abscheuliches Gelächter tatsächlich zu hören. Gelegentlich hielt es inne, beugte sich ein wenig nach vorn und schien konzentriert darauf zu lauschen, was dort unten beredet wurde, um dann in ein erneutes Gewieher auszubrechen, das es durchschüttelte. Ich befürchtete den Verstand zu verlieren, weil mir das Ganze immer mehr wie eine entsetzliche Halluzination vorkam.
Dann hob die Gestalt den Kopf, schaute zu mir herüber, und unsere Blicke kreuzten sich. Aber vielleicht war auch dies eine Wahnvorstellung. Denn ich sah seine Augen nicht, sondern erahnte sie nur. Zwei blasse Punkte, die den matten Glanz der Sterne reflektierten. ES schien mich zu beobachten. Fühlte es sich ertappt? Oder gar von mir bedroht? Nichts von beiden! So quälend langsam, wie ein sintflutliches Automobil mittels einer Drehkurbel anspringt, so langsam und stockend wurde die finstere Erscheinung zunächst von einem Wippen heimgesucht, das ganz allmählich in ein Schlottern überging, bis schließlich das altbekannte Beben in seiner vollen fiebrigen Intensität wieder zum Vorschein kam. ES lachte mich aus.
»Heiliger Strohsack, ich dachte, die Ära der Sandalenfilme sei längst vorbei, weil man sich nicht mehr so viele Statisten leisten kann!« entfuhr es Hektor, nachdem er neben mir eine Vollbremsung hingelegt und den brodelnden Hexenkessel im Tal in Augenschein genommen hatte. Er keuchte aus rasselnden Lungen, und seine Pfoten zitterten wegen des mit Mühe bewältigen Powerlaufs wie die einer Zeichentrickfigur unter Starkstrom. Das schwarz sandfarbene Riesenpelztier war zu einem mitleidheischenden Bild der Erschöpfung zusammengefallen, aus dem die Zunge derart weit herunter federte, daß sie meinen Kopf berührte. Diesen Eindruck erhaschte ich, als ich nur flüchtig zu meinem Partner aufschaute, um dann jedoch den Blick rasch wieder auf den unwirklichen Widersacher auf der gegenüberliegenden Seite zu richten.
Er war weg! Verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben, als sollte das Nichts im Firmament, das er hinterlassen hatte, ausdrücklich bestätigen, daß ich dringend psychiatrische Hilfe in Anspruch nehmen müßte. Einen Augenblick lang erwog ich, die Sache Hektor anzuvertrauen. Aber wie sollte er mir helfen? Mit einem Notruf in der Klapsmühle? Außerdem gab es im Augenblick ganz andere Probleme, um die wir uns kümmern sollten, denn im Becken des Blutdurstes wurden nun offenkundig die letzten Hemmschwellen zum großen Gemetzel niedergerissen.
»Nur zu«, verkündete Moses mit gekünstelter Coolness und zwinkerte danach seinen Mitstreitern zu, insbesondere Mäxchen und Titus, diesen buntgescheckten Spitzvisagen, die es scheinbar kaum abwarten konnten, ihre Rüben im Rachen eines Rottweilers wiederzufinden. »Auch wir sind zu der Überzeugung gelangt, daß ein weiteres Zusammenleben mit euch unmöglich geworden ist. Toleranz ist etwas für Feiglinge. Die überlegene Art sollte der minderwertigen keine Frechheiten durchgehen lassen und schon gar keine Morde. Genau besehen ist es besser, jetzt auf unserem heiligen Boden ehrenvoll zu sterben als durch eure heimtückischen Anschläge auf Raten ausgelöscht zu werden. Da hast du den ersten Liebeskuß, Freundchen!«
Wie eine losgelöste Stahlfeder katapultierte sich Moses auf Hinz' rauchgraues Gesicht und krallte sich darin fest. Der Greyhound brachte
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