Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
Hinz und Kunz wie ein Symbol der Anklage Sissis Leiche zwischen den Zähnen. Die tote Möpsin hing von ihrer beiden Schnauzen wie eine avantgardistische Damentasche herab, wäre da nicht das kontinuierliche Blutgetröpfel aus ihren Wunden in der Nackengegend gewesen, das diesen Vergleich verbat. Ebenfalls in der Frontlinie die üblichen Verdächtigen: Dobermänner, Bulldoggen, Mastinos, Bullterrier und Bullmastiffs. Diese Schlachtergesellen würden den Anfang machen, der dumpfe Rest würde ihnen roboterhaft ins Inferno folgen.
Die beiden Wogen kamen knapp vor dem Aufprall im Talgrund zum Stehen, so daß die Nasen der Kontrahenten sich beinahe berührten. Die Senke war jetzt lückenlos bedeckt mit Kläffern und meinesgleichen, und sogar der Sternenhimmel schien von dem ohrenbetäubenden Kriegsgeheul zu erzittern, das diesem Hexenkessel entstieg. Mittlerweile mußten sich dort unten über tausend Viecher zusammengerottet haben.
Die beiden Greyhounds legten die Leiche respektvoll ab und hefteten dann ihre haßerfüllten Blicke auf Moses, dessen Miene kaum weniger Feindseligkeit verriet. Sissi lag zwischen den Legionen von Pfoten wie ein gestauchter Mop, mit dem man rote Farbe aufgewischt hat. Eigentlich hätte es jetzt losgehen können, doch die Tradition verlangte wohl, daß man sich vorher noch gegenseitig ein paar Beleidigungen an den Kopf warf, offiziell auch Kriegserklärung genannt.
»Wir waren zum Frieden bereit«, sagte Hinz feierlich und wedelte dabei wild mit dem stockdünnen, langen Schwanz. Ich hörte seine Stimme zum ersten Mal. Sie klang elegant und zugleich kraftvoll, fast wie die eines Hollywoodstars. »Mehr noch, wir wollten den Frieden um jeden Preis, selbst um den Preis weiterer Opfer, die ihr uns während der Zeitspanne der Friedensverhandlungen abverlangen würdet. Deshalb hielten wir still, als Hektor uns gestern mitteilte, daß ein Bruder im alten Abflußrohr des Heims ermordet aufgefunden worden sei. Heute wissen wir, wir hätten umgehend reagieren sollen. Denn dann wäre unsere geliebte und über alles verehrte Sissi zweifellos noch am Leben.«
»Wir haben damit nichts zu tun!« blaffte Moses zurück, wobei er den dunkelbraunen Pelz kolossal aufplusterte und ebenfalls mit dem Schwanz peitschte. Doch es war keine ernstgemeinte Verteidigung, kein vernünftiges Argumentieren um des Friedens willen, sondern eine kalte Richtigstellung. Alle waren derart mit Zorn aufgeladen, daß Furcht keinen Platz mehr in ihren Köpfen hatte.
»So?« meinte Kunz lakonisch. Er klang haargenau wie sein Zwillingsbruder, geradeso als trügen beide den identischen Sprachchip. »Es mutet ziemlich widersinnig an, daß ein durchgedrehter Serienkiller sich ausgerechnet jemanden als Opfer aussucht, der derart beschützt gelebt hat. Sissis Herrchen ist nämlich ein Industriemagnat, dessen Villa so gesichert ist wie Fort Knox. Alarmanlagen, Überwachungskameras und Sicherheitsleute vor den Türen. Trotzdem lag sie wie ein geschlachtetes Schwein neben dem Swimmingpool, als wir sie fanden. Das Ganze riecht verdammt nach einer durchkalkulierten Aktion, findet ihr nicht?«
»Nein, finden wir überhaupt nicht«, entgegnete Moses. »Weder könnt ihr beweisen, daß einer aus unseren Reihen die Tat begangen hat, noch eine Beteiligung eurerseits daran ausschließen. Die Tatsache, daß es zweimal hintereinander einen Kläffer erwischt hat, deutet eher auf einen Zufall hin. Genausogut hätte es auch andersherum kommen können. Wenn ich bösartig wäre, könnte ich mir sogar vorstellen, daß ihr eure Queen Mom geopfert habt, um endlich einen Krieg vom Zaun brechen zu können.«
»Solcherlei schändliche Anschuldigungen haben wir schon zur Genüge gehört, Moses«, sagte Hinz und wandte angewidert den footballförmig spitzen, grauen Kopf zur Seite, als müsse er sich übergeben. Auch Kunz zog ob der unerhörten Verdächtigung eine Magengeschwürmiene.
»Ich würde sagen, jedes weitere Wort ist reine Zeitverschwendung«, fuhr Hinz fort. »Je weiter dieses Friedensgequatsche sich hinzieht, desto mehr von uns werden ihr Leben lassen. Es war von vornherein ein Fehler, euch in diesem Revier als gleichberechtigte Nachbarn zu akzeptieren. Zwei so unterschiedliche Arten, wie wir es sind, können sich nun einmal nicht den gleichen Platz teilen. Deshalb müssen eben wir jetzt eine Arbeit erledigen, die eigentlich schon unsere Urväter hätten erledigen müssen.«
Plötzlich sah ich es! Was? ES, den Geist des Krieges, das Scheusal, den
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