Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
nicht mehr ...«
Andromeda sackte in sich zusammen und begann heftig zu schluchzen. Aus dem Auge der Finsternis war wieder die armselige Pudeldame geworden, die siech und erbärmlich in ihrem Verschlag haust. Tränen liefen über ihr eingeschrumpeltes Gesicht, das sie mit den Vorderpfoten bedeckte.
»Was hältst du davon?« wollte Hektor leise von mir wissen.
»Ich weiß es nicht«, antwortete ich absolut ratlos. »Jedenfalls haben wir ihr am Anfang nicht gesteckt, daß die ganze Sache etwas mit Krieg zu tun hat. Entweder ist sie eine begnadete Schwindlerin oder sie hat es wirklich drauf.«
»Beide Versionen helfen uns nicht viel weiter, nicht wahr?«
»Nein. Gesetzt den Fall, wir lassen uns auf diese okkulte Spur ein, so haben wir immer noch keine Ahnung, um was oder wen es sich bei dem Scheusal handelt. Und wieso treibt er sich als rastloser, aber unbeteiligter Beobachter auf allen Kriegsschauplätzen der Welt herum? Die allerwichtigste Frage bleibt jedoch: Wieso ist er ausgerechnet an uns Mäusequäler und Mondanheuler geraten? Was hat er mit uns vor?«
»Also doch der Geist des Krieges, der immer dann zur Stelle ist, wenn das friedliche Zusammenleben längst vergiftet ist und das Blutvergießen bereits ...«
»Francis! Francis! Francis!«
Es klang wie der Ruf eines zutiefst Verzweifelten, eines vor Verzweiflung zutiefst Erschöpften. Wir wandten uns in Richtung der Stimme und sahen, wie zwischen dem konfusen Strauchwirrwarr allmählich eine Schneise geschlagen wurde. Zum Vorschein kam schließlich kein anderer als mein getreuer Blaubart, der den Eindruck vermittelte, als stünde er kurz vor einem Kreislaufkollaps, Herzinfarkt und Hirnschlag gleichzeitig. Er humpelte ächzend auf uns zu, so erledigt, als wäre er ein von Bluthunden gehetzter Kettensträfling. Das Zottelbärgesicht mit der eingeschrumpelten leeren Augenhöhle und dem schief aus dem Maul herausgewachsenen Fangzahn verriet höchste Panik, und die rechte verstümmelte Pfote schien ihm nun besondere Pein zu bereiten.
»Blaubart, was ist los?« fragte ich, als er völlig entkräftet und nach Luft japsend endlich bei uns eingetroffen war. »Du siehst aus, als wärst du auf deine alten Tage bei der Nationalelf eingestiegen.«
»Francis, ich suche dich schon seit Stunden«, schnaufte er. »Es ist das Schrecklichste eingetreten, was eintreten konnte. Scheiße ja! Sissi ist ermordet aufgefunden worden. Totgebissen auf die bekannte Art und Weise. Und nun scheint Sense zu sein mit dem Friedensgequatsche und so. Die Kläffer, allen voran Hinz und Kunz, verdächtigen uns der Sache und haben uns definitiv den Krieg erklärt. Moses ließ sich natürlich nicht lange bitten und lud gleich zu einer großen Schlacht ein. Das ganze Revier ist auf den Beinen und marschiert zu der alten Senke, um dort ein Gemetzel zu veranstalten. Scheiße nein, was sollen wir jetzt tun?«
Hektor und ich warfen einander bange Blicke zu. All unsere Bemühungen schienen sinnlos geworden zu sein. Vielleicht hätte die angespannte Situation noch einen weiteren Mord verkraftet. Aber nicht den an Sissi, der Anführerin der anderen Partei. Kein Argument, kein Appell an die Vernunft würde die Kläffer nun mehr im Zaum halten. Das war das Ende. Scheiße ja!
5. Kapitel
Die alte Senke lag am äußersten Ende des Reviers. Sie war ein tektonisches Phänomen, allerdings auch ein abschreckendes, und deshalb hatte sich bis jetzt kein einziger Investor für das Gelände gefunden. Auf den ersten Blick handelte es sich dabei lediglich um ein ausgedehntes, verwildertes Grundstück, welches einen fruchtbaren Nährboden für Unkraut und verwildertes Gras bot. Das Besondere an diesem Grundstück war jedoch, daß es Jahr um Jahr von dem angrenzenden Erdniveau absank. Unerklärliche Verschiebungen im Erdreich hatten dieses Fleckchen kontinuierlich in den Untergrund gesogen, so daß es mittlerweile wie eine Delle in der Landschaft aussah. Für Nichteingeweihte wirkte die Senke wie ein natürlicher grüner Talkessel, der einem Reiseprospekt über Irland entnommen zu sein schien, doch einem genauen Beobachter wäre wohl der ständig weiter absinkende Boden mit Schrecken aufgefallen.
Blaubarts Hiobsbotschaft hatten Hektor und mich regelrecht niedergeschmettert. Andromeda versuchte weiterhin, sich von ihren grausigen Visionen zu erholen, soweit es bei ihr überhaupt noch etwas zu erholen gab. Dann plötzlich blitzte mir eine im wahrsten Sinne des Wortes selbstmörderische Idee
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