Felidae 4 - Das Duell
besitzen die Menschen eine andere Mentalität, wir gelten als ›Gebrauchstiere‹, vergleichbar mit Kaninchen hierzulande, denen man ruhig das Fell über die Ohren ziehen kann. Außerdem herrscht dort eine blühende Korruption. Wenn sich irgendwelche Tierschützer oder gar westliche Regierungen über derlei Horrornachrichten entrüsten, wird eine Farm dichtgemacht und nächste Woche auf einer anderen Insel ganz schnell wieder aufgebaut. Animalfarm hat diese zwei Halunken jahrelang verfolgt, ohne jedoch ihre verbrecherischen Geschäfte wirklich unterbinden zu können. Es blieb bei Nadelstichen: ein kleiner Fernsehbericht hier, eine geschlossene Farm dort. Agatha und ihr Doktor wurden derweil zu Multimillionären. Bis ein gerechter Gott eine viel zu milde Strafe verhängte: Agatha erkrankte an Krebs. In Schottland wartete bereits ein Haftbefehl wegen Tiermißhandlung in großem Maßstab auf sie – von Animalfarm initiiert. Also lösten sie alle Farmen auf, brachen ihre Zelte in Asien ab und kamen hierher. Wenigstens ein kleiner Erfolg.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Aber wieso beherbergt Agatha dann jetzt so viele von jenen lukrativen Geschöpfen, die sie früher abschlachten ließ?«
»Ganz einfach: Auch Schlächter gewöhnen sich an das geschlachtete Vieh und möchten es an ihrem Lebensabend nicht missen. Ja, so abartig das auch klingen mag, Francis, sie liebt unsere Art, weil sie ihr so viel Glück gebracht hat. Wer weiß, vielleicht hat sie uns schon immer geliebt, hielt sich höchstwahrscheinlich schon immer privat ein paar Lieblinge. Und wer weiß, vielleicht wäre aus ihr tatsächlich ein guter Mensch geworden und keine ordinäre Mörderin, wenn ihr nicht dieser komische Tick dazwischengekommen wäre: Raffgier! Die Menschen sind schizophren, was diese Dinge angeht.«
»Ich nehme an, der Zweck der Übung, mich auf die unsanfte Art von der Terrasse zu holen, besteht darin, daß Animalfarm Agatha diese Liebe nicht gönnt.«
»So unsanft war dein Fall gar nicht, Francis. Diese Männer am Tisch sind ausgebildete Ä rzte und kennen sich sowohl mit der Auswahl als auch mit der Dosierung von Betäubungsmitteln bestens aus. Aber du hast recht: Wir finden es mehr als pervers, daß jemand, der entsetzlichste Greuel über eine Tierart gebracht hat, an seinem Ende ausgerechnet bei dieser Tierart Trost sucht. Animalfarm fährt zweigleisig. Zum einen versucht sie, unsere Brüder und Schwestern aus dem Glashaus zu holen, zu entführen, wenn du so willst, zum anderen verstärkt sie den juristischen Druck auf die Behörden, Agatha und Gromyko endlich hinter Gitter zu bringen. Quasi als unterstützende Maßnahme habe ich mich mit Adrian befreundet. Um ihn davon zu überzeugen, aus welchem Holz sein Frauchen geschnitzt ist. Aber er weigert sich, mir Glauben zu schenken. Vermutlich fürchtet er, in ein Heim zu kommen, wenn sie in den Knast wandert, und will das alles nicht wahrhaben.«
»Da liegst du wahrscheinlich richtig«, sagte ich. »Als ich ihn zur Rede stellte, spielte er den Trotzigen, der kein schlechtes Wörtchen auf seine Ernährer kommen lassen wollte. Er machte einen geradezu fatalistischen Eindruck. Jetzt, da ich die Hintergründe kenne, leuchtet mir sein Verhalten ein. Vor allem wird mir klar, weshalb er ein so beeindruckendes Schauspiel bei der Untersuchung der Leiche liefern konnte. Er verfügte über nur ihm bekannte Informationen. Zum Beispiel darüber, daß der Tote vorher in einer Kühltruhe aufbewahrt worden ist – einer Kühltruhe, wie sie in Dr. Gromykos Büro steht. Oder daß es sich bei dem Opfer um einen alten Artgenossen handelte. Es lebte nämlich bis vor kurzem selbst im Glashaus. Hier wie in den Lagern in Asien spielte jedenfalls Strangulation eine entscheidende Rolle, und der Mörder ist ...«
»Dr. Gromyko!« unterbrach mich Fabulous.
Eigentlich wollte ich mit »... von dieser Tötungsart fasziniert« fortfahren. Doch ihr schneidender Zwischenruf elektrisierte mich, weil sie mir doch vor ein paar Stunden zugeflüstert hatte, daß sie in dem Flüchtenden einen Menschen erkannt habe. Der letzte Rest der Betäubung fiel von mir üb, ich brannte vor Neugier.
»Der Flüchtende, den du auf der Mauer gesehen hast, war der gute alte Doktor?«
»Ich glaube schon«, sagte sie und wandte den Blick von mir ab.
«Was soll das bedeuten?«
»Er ähnelte ihm von der Statur her. Schließlich gewahrte ich nur seine Rückenansicht, einen Schatten.«
«Seltsam, die Gestalt, die ich die Mauer hochhuschen
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