Felidae 4 - Das Duell
dieser Liste wollte ich überprüfen, ob ich zu den Kandidaten eines Lebens im Zeitraffer zähle. Inzwischen wissen wir beide, daß Fabulous andere Sorgen hat, als mir irgendwelche Listen zu verschaffen. Jedenfalls kam mir deine hartnäckige Einmischung etwa so gelegen wie Migräne und Durchfall gleichzeitig.«
Ich kickte mit der Pfote ein kleines Eisstückchen in Richtung der Toten. Auch Adrian schien des Redens müde geworden. Er hatte alles gesagt, was zu sagen war, und diesmal glaubte ich ihm aufs Wort. Meine Trauer über die vor uns aufgestapelten Toten wurde durch die Erkenntnis, daß sie nicht eines Mordes zum Opfer gefallen waren, nicht geringer. Aber das Wissen darüber verschaffte doch einen gewissen Trost. Die Wut auf das Menschengeschlecht, das den göttlichen Tip »Macht euch die Erde untertan!« allzu wörtlich genommen hatte, mischte sich in diese Trauer. So viele dieser unschuldigen Seelen mußten sterben. Sterben, damit eines fernen Tages ein Mensch nicht in die Verlegenheit kam, zu niesen, wenn er unsereinen streichelte. Sterben, damit die Kasse eines Unternehmens immer gut gefüllt war! Konnte man sich eine eindrucksvollere Demonstration vorstellen, zu welcher Perversität der menschliche Geist fähig war? Was erwartete uns in der Zukunft? Würden sie uns vielleicht bald mit einem Stand-by-Gen ausstatten, das dem Besitzer eines Haustieres erlaubt, seinen Liebling während der Dauer seines Urlaubs einfach auszuknipsen und im Schrank zu verstauen? Oder wie wäre es mit einem Gen, das unsereinen völlig haarlos das Licht der Welt erblicken ließe, damit die Textilindustrie ihren gerechten Anteil am Geschäft bekäme. O Pardon, so eine Züchtung existiert ja bereits! ( 5 )
Das perfekte Haustier ... So langsam beschlich mich die Ahnung, daß Leute, die des großen Reibachs willen solche Visionen entwickelten und über Leichen gingen, um diese zu verwirklichen, früher oder später auf die allerschlimmsten Ideen kommen würden. Wer weiß, vielleicht waren sie sogar schon daraufgekommen.
»Ich danke dir für die Aufklärung, Adrian«, sagte ich. »Auch wenn damit weder dir noch den Toten geholfen ist. Aber wie ich es auch drehe und wende, das Bild auf dem Puzzle will sich mir immer noch nicht ganz erschließen. Sicher ist die Verbreitung von hypoallergenischen Tieren für Animalfarm eine wichtige Sache. Doch nach dem, was man so hört und liest, scheint es sich um einen vergleichsweise harmlosen Eingriff in die Erbinformation zu handeln, wenn man von dem hohen Blutzoll, den unsere Artgenossen zu zahlen haben, mal absieht. Maximilian mit seinen Dollarmilliarden könnte noch viel weiter gegangen sein. Hast du in den Unterlagen von Agatha und Dr. Gromyko keine Hinweise auf andere Projekte gefunden?«
Adrian stutzte.
»Was meinst du damit? Ich habe nach nichts anderem gesucht. Selbstverständlich waren Agatha und Gromyko im Laufe ihres Forscherlebens in zahllose andere Projekte involviert, und ich nehme an, daß auch von diesen Spuren in Gromykos Büro zu finden sind. Aber das ist altes Zeug und hat nichts mit unserer Sache zu tun ...«
Plötzlich vernahmen wir ein verdächtiges Geräusch und sprangen gleichzeitig in die Höhe. Etwas wie ein Poltern oder das dumpfe Aufschlagen eines Gegenstandes. Es hätte eine harmlose Ursache haben können, denn auch ein Keller konnte im hohen Alter gelegentlich die Kontrolle über sich selbst verlieren. Es polterte darin nun mal gelegentlich, und es fiel auch schon mal etwas aus unerklärlichen Gründen zu Boden. Nichtsdestotrotz schien die Vorstellung nicht abwegig, daß die Skimaskenmänner bei ihrer Suche nach dem verschwundenen Wild nun diesen Teil des Eishauses durchkämmen wollten. Vielleicht waren sie bereits hier …
Adrian und ich verstanden uns wortlos, glitten vom Eiscontainer herunter und hielten Ausschau nach einem Ausgang.
12.
U m es kurz zu machen, wir fanden einen Ausgang, sehr schnell sogar. In Gestalt eines gekippten Kellerfensters, durch das wir nach draußen entschlüpfen konnten. Die Abendfinsternis hatte sich über das Industriegebiet a.D. gelegt, und – es tut mir leid, das in diesem Zusammenhang erwähnen zu müssen – ich hatte an diesem Tag noch keinen Bissen zu mir genommen. Wir hoben die Kopfe in den verschneiten Himmel und betrachteten noch einmal das Eishaus, das sich wie die verrosteten Gesenkhämmer und verfallenen Werkshallen in dunkle Schatten verwandelt hatte. Nach all dem, was ich nun wußte, wirkte es für
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