Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
Vom Netzwerk:
dem Schicksal nicht einfach seinen Lauf lassen, vergessen und dein Leben genießen?«
    »Unmöglich! Man muß wissen, woher man kommt, wer man ist und wohin die Reise geht. Am Glück des Unwissenden kann sich nur der Unwissende erfreuen. Ich habe einen Fehler gemacht: Ich habe mir zu viel Wissen angeeignet. Au revoir, Francis!«
    Er wandte sich ab und folgte der Schneespur auf der Mauer, die sich wie ein immer dünner werdender Strich in dem Wäldchen verlor. Ich sah ihn im Tanz der Schneeflocken langsam kleiner werden. Regungslos verharrte mein Körper, und ohne Regung war auch mein Geist. Ich vermochte nicht einmal mit der Wimper zu zucken. Doch dann zerbrach mein steinerner Panzer, und eine Welle von Gefühlen überströmte mich und trieb mir an diesem Tag zum zweiten Mal die Tränen in die Augen.
    »Adrian!« rief ich. »Adrian, bleib stehen!«
    Er machte halt und drehte sich zu mir um. Nach einem kleinem Spurt traf ich atemlos bei ihm ein und schaute lange in seine fragenden Kupferaugen. Danach schlug ich im Spiel mit der rechten Pfote auf seine Wange und rieb nach alter Sitte mein Gesicht an seins. Er lächelte traurig, schlug ebenfalls matt gegen meine Wange, zuckte mit den Schultern und ging.
    Während er sich in der Ferne langsam in einen zitternden Fleck verwandelte, hatte ich plötzlich das Gefühl, daß ich ihn, so wie die Dinge lagen, für eine sehr lange Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen würde. Wir hatten in diesem schmutzigen Spiel die denkbar schlechtesten Karten. Uns waren in jeglicher Hinsicht die Pfoten gebunden, denn bei unserem Gegner handelte es sich nicht allein um niederträchtige Menschen – es handelte sich um die entfesselten Kräfte eines Superkonzerns. Die Vorstellung, eine solche Übermacht bezwingen zu wollen, grenzte an Wahnsinn. Zudem hatten wir die Regeln dieses Spiels immer noch nicht durchschaut, will sagen: O bwohl das Rätsel in vielen Punkten gelüftet zu sein schien, blieb der eigentliche Kern im Dunkeln. Ich wußte weder, mit wem Fabulous im Eishaus gesprochen hatte, noch war mir klar, weshalb die Skimaskenmänner danach trachteten, diesen Unbekannten mit allen Mitteln und unbedingt lebend in ihre Gewalt zu bringen. Die Tatsache, daß Adrian ihn Zorro nannte und ich ihn das Phantom, gab Phantom-Zorro noch lange kein Gesicht, geschweige denn eine Identität. Und selbst wenn wir gegen alle Wahrscheinlichkeit den Fall lösen würden, wäre dies alles doch nicht mehr als ein Pyrrhussieg angesichts der unheilbaren Krankheit Adrians und der vielen Artgenossen.
    So viel zu den schlechten Nachrichten. Gute gab es eigentlich keine. Da ich jedoch nicht allein aus Geist, sondern auch aus ein paar Kilo Lebendgewicht bestand, verschaffte mir zumindest die Aussicht auf das Abendmahl bei meinem arg vernachlässigten Gustav einen gewissen Trost. Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und marschierte heimwärts. Schnee und Kälte spürte ich schon gar nicht mehr, der zurückliegende Albtraum hatte mich gegen derartige Schmerzen abstumpfen lassen. Ich fühlte eine bleierne Müdigkeit in mir aufsteigen und sehnte mich nach Gustavs Zuhause wie ein verletzter Bär nach seiner Rückzugshöhle. Doch die Rituale der Heimeligkeit der Vorweihnachtszeit waren schal und freudlos geworden. Das Wissen um das grausame Schicksal meiner Artgenossen im Glashaus hatte auch die Fähigkeit, Freude zu empfinden, ausgelöscht. Adrians Worte gingen mir durch den Sinn: »Ich habe einen Fehler gemacht: Ich habe mir zu viel Wissen angeeignet.« Dem konnte ich mich nur anschließen.
    Eine Mauer nach der anderen flog mir durch den aufwirbelnden Schnee entgegen. Es bereitete Mühe, irgend etwas zu erkennen, aber meine Pfoten funktionierten so tadellos, als würden sie von einem dieser hypermodernen Navigationssysteme gesteuert, und schlugen ganz automatisch den richtigen Weg ein.
    Mit einem Male erweckte eine Bewegung linker Pfote meine Aufmerksamkeit. Nein, es waren zwei Bewegungen beziehungsweise zwei Schatten. Sie flitzten im Garten unter mir hin und her, dann sprangen sie auf die parallel verlaufende Mauer, um sich im nächsten Moment wieder herunterfallen zu lassen. Ich stoppte und versuchte durch die zugekniffenen Augen Genaueres auszumachen. Es fiel mir eine Tonne Geröll vom Herzen, als ich in den beiden vertraute Gestalten erkannte – für weitere unliebsame Überraschungen fehlte mir gegenwärtig auch wirklich der Nerv. Bei den zwei Schatten handelte es sich um die halbwüchsigen kohlschwarzen Dinger,

Weitere Kostenlose Bücher