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Felidae 4 - Das Duell

Titel: Felidae 4 - Das Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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ebenfalls Garfield zu mir sagen! Er hatte vorsorglich alle Türen offenstehen lassen, damit er mich gleich sah, wenn ich vor dem Fenster auftauchte. Was er natürlich ausgerechnet jetzt, da ich dabei war, meinen Geist auszuhauchen, nicht tat! Ganz und gar nahmen ihn die von den Sternen ferngelenkten Schicksale seiner hirnamputierten Artgenossen m Anspruch.
    Ich mobilisierte meine letzten Energien, schlug mit allen Pfoten gegen die Scheibe, kratzte am Fensterrahmen, trug eine Miau-Oper in drei Akten vor und sprang am Ende sogar mit dem ganzen Körper gegen das Fenster. Ohne Erfolg! Gustav hörte und sah mich einfach nicht. Es konnte einem das Herz zerreißen, daß sich zu den fortgeschrittenen neurologischen Schäden meines geliebten Lebensgefährten nun auch noch Taubheit und Blindheit gesellt hatten. Doch im Moment machte mich der Anblick eines schwachsinnigen, tauben und blinden Gustavs nur im höchsten Maße aggressiv. Also hieß es, die Ochsentour machen: über die Feuertreppe hinauf zu Archies Balkon, dann durch die angelehnte Tür in seine Wohnung, von dort ins Treppenhaus, die Treppe hinunter und anschließend durch die Klappe hinein ins Irrenhaus Gustav Löbel.
    Als ich nach einer mühevollen Kletterpartie endlich auf dem Balkon stand, zitterte ich am ganzen Körper. Gott sei Dank stand die Balkontür tatsächlich offen, und ich glitt lautlos und wie unsichtbar in Archies Räucherhöhle. Drinnen waren seit gestern nacht keine Veränderungen zu verzeichnen. Bis auf den Umstand, daß Archie diesmal nicht von Heulkrämpfen geschüttelt wurde. Er saß bei ausgeschaltetem Licht mit dem Rücken zu mir an seinem Schreibtisch, auf dem mehrere Fernsehmonitore standen, und beguckte sich zigaretterauchend die Börsennachrichten aus aller Welt. Wer weiß, vielleicht hatte er heute ja bei dem einen oder anderen Wert punkten können und schöpfte nun wieder Hoffnung. Doch auf den Fernsehbildern herrschte das gleiche Treiben wie gestern; Leute am Rande des Herzinfarkts rannten in den Börsenhallen hin und her und bedachten einander mit verzweifelten Schreien, als gelte es, in letzter Sekunde einem herabstürzenden Meteoriten auszuweichen. Dazwischen Einblendungen von Schautafeln mit auf und ab springenden Kurvenverläufen und kryptischen Zahlenreihen, vor denen selbst Albert Einstein kapituliert hätte.
    Offen gesagt hatte mir der alte Chaot Archie besser gefallen, soweit man das bei einem Menschen behaupten kann, der sich nur einmal die Woche wäscht, und wenn er sich wäscht, dabei französische Chansons aus den Sechzigern in Brüllautstarke vorträgt. Aber die jetzige auf Zahlen und Kurven starrende Marionette internationaler Kapitalverflechtungen befand sich jenseits von Gut und Böse. Der Archie, den ich zu kennen glaubte, war gesichtslos geworden. Er glich dem korrekt gescheitelten und Sex nur noch mit seinem Laptop treibenden Krawattenheini aus dem Werbefoto des Fondsprospekts, das ihm letztlich zum Verhängnis geworden war. Aber was kümmerte es mich? Über den Lebenssinn eines Menschen zu philosophieren war etwa so ergiebig, wie eine Eintagsfliege über ihre weiteren Lebenspläne zu interviewen. Ich drehte mich um und verließ die Wohnung ...
    Nein, das tat ich nicht! Denn just in dem Moment, als meine Pfoten sich in Bewegung setzen wollten, sah ich auf einem der Bildschirme etwas, das mir verdammt bekannt vorkam. Und als dann noch ein Börsenreporter vor der Kamera erschien und in routiniert aufgeregtem Ton irgendwas von Gewinnerwartungen irgendwelcher Firmen faselte, da hatte ich nicht nur den entscheidenden Knoten dieses elenden Falls durchhauen, sondern auch erfahren, wie weit der Mensch zu gehen bereit war, um die Schöpfung für seine Bedürfnisse zu manipulieren: so weit, bis von ihr am Ende nur noch der überflüssigste Aspekt übrig blieb – der Mensch!

 
     
    13.
     
     
     
    D er Schauplatz der Aufklärung war das Mekka des Geldes – des Dollar, des Euro, des Schweizer Franken, des Yen – oder besser, das wahre Herz des Menschen, das mit jedem Pochen einen Menschheitstraum verwirklichte und dafür ein anderes auslöschte: New York, Wall Street. Das hausgroße Plakat hing direkt unter der Schautafel mit der launischen Dow-Jones-Kurve. Vor einem düsteren Hintergrund war die Phantomgestalt mit den überhell glühenden Augen zu sehen. Über seinem Kopf prunkte in scharlachroten Lettern:
     
     
    YOU ARE THE ANIMAL!
    Darunter:
    COMING SOON
    10. 1. 2003
    Und etwas weiter

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