Felidae 4 - Das Duell
die Nasen- und Mundpartie waren ergraut, und das schadhafte, dunkelgelbe Gebiß erinnerte an einen ausgebeuteten Steinbruch. Er war schon eine beeindruckende Erscheinung, mein guter alter Blaubart, und wenn er auch kaum als strahlender Repräsentant unserer Rasse in Frage kam, so doch hervorragend als Abschreckung gegen unsere Feinde!
»Ist doch genug da von dem Zeug«, fuhr er fort. »Wer weiß, vielleicht wird's ja schlecht, wenn wir uns der Sache nicht annehmen. Sieht nicht so aus, als gäbe es Probleme mit dem Nachschub. Scheiße nein!«
»Wie habt ihr das Lager entdeckt?« wollte ich wissen.
»Purer Zufall«, sagte Junior. Sein junges Frechdachsgesicht war von oben bis unten mit dem Futter verschmiert und glich dem eines Kleinkindes, das sich am Verzehr einer Tafel Schokolade versucht, »Irgendwo in der Mauer ist ein Loch, und da ich sozusagen der Marco Polo des Reviers bin und gern die Gegend erkunde, war es unvermeidlich, daß ich irgendwann auf den Schatz stoßen würde. Ist schon eine seltsame Bude hier. Aber was soll's, kann uns ja egal sein, was, Paps? Wir wollen lieber unser Wiedersehen feiern. Am besten mit, ähm, einer zünftigen Vorspeise, Hauptspeise, Nachspeise ...«
»Danke, ich habe schon gegessen. Allerdings ein Stockwerk höher.« »Scheiße nein, du warst bei diesen Kanaillen da oben?« Blaubart schaute drein, als spräche ich von einem Besuch im Hades.
»Korrekt«, sagte ich. «Und ich bekam dort nicht nur etwas zu fressen ...«
So begann ich zu erzählen. Vom Rausschmiß aus meiner Winterheimeligkeit und von der Entdeckung des Strangulierten. Der Begegnung mit dem Phantom, dem Zusammentreffen mit Fabulous und Adrian und davon, was für scharfsinnige Schlüsse der Schnösel aus den wenigen Anhaltspunkten zu ziehen vermochte. Wie ich ihm in das Glashaus folgte, dessen ominöses Personal kennenlernen durfte und gleich darauf das Opfer der Blasrohrattacke wurde. Schließlich berichtete ich mit stockender Stimme von den Verbrechen an unserer Art in Asien und wie Animalfarm die Verantwortlichen hinter Gitter zu bringen trachtete oder sich zumindest bemühte, die unserigen aus dem Glashaus in diese Zufluchtsstätte zu überführen. Am Schluß meines Berichts hatten sich Blaubart und Junior tatsächlich das große Fressen aus dem Kopf geschlagen und waren ganz entgegen ihrer Natur völlig sprachlos. Ihr Blick verriet Entsetzen und Trauer, sie schienen ziemlich geknickt.
»So eine Schweinerei!« seufzte Blaubart schließlich. »Ich hab ja schon immer gewußt, daß die Welt kein Streichelzoo ist, aber die Sache mit diesen Fellfarmen wäre mir nicht einmal im Traum eingefallen – und ich habe weiß Gott eine schmutzige Phantasie. Am liebsten würde ich Lady Agatha und ihrem Dr. Gromyko eigenpfotig die Schlinge um den Hals knüpfen und ihnen dann ganz langsam die Haut abziehen. Und wenn es das letzte ist, was ich tue! Scheiße ja! Und dieses Bürschchen namens Adrian kann sich jetzt schon auf eine erstklassige Kastration vom Fachmann freuen. So viel Zähne habe ich noch!«
Junior schien im Geiste weniger auf dem Kriegspfad, denn auf verschlungenen Gedankenwegen unterwegs. Seine Unbeschwertheit von vorhin war wie weggeblasen.
»Ich weiß nicht, Blaubart, vielleicht bist du etwas voreilig mit deinen Rachegelüsten.«
»Was meinst du damit?« sagte ich.
»Wie soll ich mich ausdrücken, Paps, aber vieles von dem, was du erzählt hast, klingt ziemlich ungereimt. Wie ein Witz, bei dem die Pointe nicht so richtig gelingen will.«
»Zum Beispiel?«
»Weshalb Adrian es zum Beispiel bei einem Mörder aushält, obwohl er weiß, daß er schon morgen als Nächster am Brunnen baumeln könnte.«
»Das habe ich doch bereits gesagt. Weil er . . .«
»... fürchtet, in ein Heim abgeschoben zu werden, wenn er sich die bittere Wahrheit eingesteht. Ein ziemlich schwaches Argument, so legt sich vielleicht ein Debiler die Welt zurecht. Du schildertest ihn aber als jemand, der nicht gerade auf den Kopf gefallen ist. Des weiteren kenne ich keine weltweit operierende Tierschutzorganisation namens Animalfarm, und schon überhaupt keine, die wie ein Wanderzirkus der Hilfsbereitschaft ein mobiles Krankenhaus mit sich herumschleppt. Schließlich gibt es mindestens dreißig Tierarztpraxen hier im Umkreis.«
»Amerikaner!« gab ich fast beleidigt zurück, weil mir insgeheim die Unlogik meiner Ausführungen bewußt wurde. »Die denken in Superlativen und handeln auch so. Und es sind Besessene, denen nichts zu teuer ist,
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