Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman
neunzehn zurückgekämmten Haaren über der Glatze und ohne die vermutlich zum ersten Mal seit 1998 wegrasierten Stoppeln an den aufgeschwemmten Backen wirkte er echt manierlich. Welchen vornehmen Termin er wohl wahrnehmen wollte? Einerlei, ich hatte nun wahrlich Besseres zu tun, als mich mit einem in jeder erdenklichen Gewandung schlecht angezogenen Fettkloß zu beschäftigen.
»Spring auf die Klinke und versuch sie mit den Vorderpfoten herunterzudrücken, wie wir es oft gemacht haben, Blaubart.« Ich deutete mit dem Kopf zu der Türklinke hoch.
»Kein Problem«, entgegnete mein von den Toten wiederauferstandene Freund und tat wie geheißen. Doch nachdem er sich mit den Hinterbeinen nach oben geschleudert, beide Pfoten um die Klinke geschlungen und sie beim
Herunterfallen nach unten gerissen hatte, passierte trotzdem nichts.
»Siehst du«, sagte ich bedeutsam.
Blaubart schaute mich so an, als wäre mir unversehens der Kopf abgefallen oder etwas in der Art. »Was soll das heißen?«
»Die Tür ist abgeschlossen.«
»Ach nee! Na, und, weshalb sollte Gustav die Tür zu seinem Arbeitszimmer nicht abschließen? Ist ja schließlich seine Wohnung.«
Ich lächelte ein affiges Ich-weiß-etwas-das-du-nichtweißt-Lächeln. »Warum sollte er das tun? Er lebt völlig allein in dieser Wohnung – wenn man uns nicht mitrechnet. Außerdem hat er sich noch nie so verhalten. Übrigens geht das schon seit Monaten so. Seitdem er von diesem dubiosen Institut für Altertumsforschung namens ›Re-Gesellschaft‹ mit einem Stipendium ausgestattet wurde. Ich weiß nicht, um welches Forschungsprojekt es sich diesmal dreht, aber er macht solch ein Geheimnis daraus und schließt sich so oft und lange im Arbeitszimmer ein, dass man meinen könnte, da drin wird gerade die neue Handy-Generation mit Toaster-und-Kettensäge-Funktion erfunden.«
»Ist mir gerade entfallen: In was macht dein Gustav noch mal?«
»Ägyptisches Götterwesen.«
»Aber was hat das alles mit der komischen Geschichte zu tun, die du mir eben erzählt hast?«
»Wie ich schon sagte, am Rand dieser seltsamen Zeichnung sah ich unsere Adresse und Telefonnummer. Jetzt wollte ich im Arbeitszimmer nach Hinweisen suchen, ob
Gustav seinerseits Verbindung zu dem Physiker-Eierkopf aufgenommen hat. Frag mich nicht, wie das eine mit dem anderen zusammenhängt. Es ist so ein instinktives Ding. Aber so wie es aussieht, kommen wir da sowieso nicht rein.«
»Och, vielleicht doch …« Blaubart ging seelenruhig ein paar Schritte rückwärts, bis er mit dem Hintern an die Wand stieß, und legte dann in einem Affenzahn den Vorwärtsgang ein. Die schier antiquarisch zu nennende Tür zum Arbeitszimmer enthielt vier sogenannte Füllungen, also rechteckige, horizontal aufgestellte, dünne Bretter, die in die kreuzförmige Fassung der Verzierung wegen eingelassen waren. Blaubart stürmte wie ein Berserker auf die untere rechte Füllung zu, und als er kurz davor war, mit seinem Riesenschädel dagegenzuknallen, vollführte er eine fixe Seitwärtsbewegung und prallte mit der Flanke mit voller Wucht gegen das Brett. Schier explosionsartig riss das Teil aus der Fassung und flog samt Blaubart ins Arbeitszimmer hinein, sodass in der Tür ein großes rechteckiges Loch entstand.
Ich traute meinen Augen nicht, und das Einzige, was mir durch den Kopf schwirrte, war das abgedroschene »Ja, mit Gewalt …« Eigentlich hätte ich selbst auf die Idee kommen können, denn die Einzelteile dieser Tür wurden wohl inzwischen nur noch von jahrhundertealtem, zu Pulver gewordenem Leim zusammengehalten.
Ich stieg über die Schwelle und schritt in den Raum. Hier herrschte kein geringeres Chaos als im Arbeitszimmer von Max’ Physiker. Allerdings handelte es sich sozusagen um ein gemütliches Chaos. Die Wände waren zugestellt mit bis
an die Decke reichenden Regalen, in denen altehrwürdige Lederbände und Fachbücher ruhten. Allesamt waren fingerdick von Staub überzogen. Auf dem klobigen Schreibtisch mit der Jugendstilleuchte in Form eines Blumenkelchs und dem obligatorisch schlierenüberzogenen Rotweinglas türmten sich haufenweise Bücher und irgendwelche Doktorarbeiten aus aller Welt. Das gleiche Bild bot sich auf dem Boden. Hier flog eine unübersichtliche Anzahl von Fotos und Zeichnungen umher, welche Artefakte, Wandmalereien, bei Ausgrabungen freigelegte Baulichkeiten, vor allem aber Sarkophage und Mumien aus dem alten Ägypten darstellten. Alles in allem roch es hier richtig nach Arbeit, ohne dass
Weitere Kostenlose Bücher