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Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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nach allen Himmelsrichtungen stiebenden geknickten Schnurrhaaren und dem einen heilen Auge, das nun wie bengalisches Feuer zu lodern schien. Das Maul war wieder weit aufgerissen zum vernichtenden Biss.
    Kurz bevor wir zusammenkrachten, schnellte ich über seinen Kopf in einer Diagonale himmelwärts, vollführte dabei in der Luft einen Salto um meine eigene Achse und landete schließlich auf seinem Rücken. Dann verpasste ich ihm den finalen Genickbiss. Blaubart bockte auf und warf mich mit einer harten Schüttelbewegung von sich ab. Sein selbstmörderischer Lauf war jäh zu einem Ende gekommen. Er torkelte einfach geradeaus, ohne einen Blick zu mir zurückzuwerfen. Irgendwann blieb er inmitten des Zimmers stehen, drehte sich jedoch immer noch nicht nach hinten um. Ich hörte sein lautes Schnaufen, das an das eines abgekämpften Boxers gemahnte. Danach kippte er zur Seite und streckte alle viere von sich.
    Ich eilte zu ihm und rollte ihn behutsam zu mir herum. Unter ihm breitete sich auf den Dielenbrettern ganz langsam eine Blutlache aus, die in der Dunkelheit so rabenschwarz wie Rohöl wirkte. Das Glühen seines heilen Auges nahm sekündlich ab. Er schmatzte gemächlich, als kostete er einen delikaten Nachgeschmack, und starrte mich unverwandt an. Irgendwie seelenlos. Schlagartig begann ich wieder aus vollem Herzen zu heulen; die Tränen fluteten mir nur so aus dem Gesicht. Ich hatte meinen besten Freund umgebracht!
    »Blaubart, du verdammter Idiot!«, schrie ich. »Warum hast du das getan? Warum hast du mich dazu gezwungen?«
    Das Auge mit den ergrauten Wimpern schloss sich langsam, und er hörte auf zu schmatzen. Der ganze Koloss schien zu schrumpfen wie ein Heißluftballon, dem die Hitze entweicht. Ich umfasste seinen Kopf und fing an wie wild daran zu rütteln, als sei er ein kaputter Wecker, den man durch derlei Grobheiten wieder zum Funktionieren bringen konnte.
    »Geh nicht, alter Gefährte!«, rief ich. »Geh nicht! Bleib hier bei mir. Bleib hier und lass uns wieder die Welt auf den Kopf stellen wie früher. Bitte, Blaubart, es tut mir alles so leid.« Und während ich all das sagte, flogen vor meinem geistigen Auge die Bilder unserer gemeinsamen Vergangenheit in rasender Geschwindigkeit wie Tausende Bildschnipsel vorüber. Die tiefsten Tiefs und die höchsten Hochs, die vielen vertrauten leisen Momente. So sollte es also mit uns letztlich enden? Wie sinnlos! Vor allen Dingen: So sollte es letztlich mit mir enden? Als der Mörder seines Herzensbruders? Wie erbärmlich! Der Tränenfluss steigerte sich.
    Blaubarts Lid schloss sich endgültig, eine seltsame Ruhe kehrte ein in sein wie zerfurcht wirkendes, bunt geschecktes Gesicht mit der einen verschrumpelten Augenhöhle, und er hauchte schließlich seinen letzten Atem aus.
    »NEIN!«, kreischte ich. »Nein! Nein! …« Und hoffte, dass der Film diesmal, wirklich nur dieses eine Mal, wieder zurückliefe …
    Was auch prompt geschah! Einen Augenaufschlag lang froren meine Tränen ein und mit ihnen die ganze Welt um mich herum. Alles wurde zum Standbild, insbesondere ich, der ich über keinerlei Willenskraft mehr über meinen Körper und seine Bewegungsfähigkeit verfügte. Danach der
Ablauf retour, der mich kaum mehr zu schocken vermochte: Meine Tränen hoben sich vom Fell meines verstorbenen Freundes empor und flossen in meine Augen zurück, Blaubarts letzter gehauchter Atem wurde von seinem Maul eingesogen und machte ihn wieder lebendig, sein Auge öffnete sich und so weiter und so fort …
    Es war also schon wieder passiert, der Aussetzer in meinem Kopf eingetreten. Ich sah und empfand die Welt und den zu ihr gehörenden Zeitablauf erneut so, wie es neuerdings offenkundig ihrer wahren Natur entsprach, nämlich in rückwärts verlaufender Richtung. Ausgerechnet jetzt. Oder besser gesagt, zum Glück jetzt! Denn nun hatte ich ja in der Tat einen Grund, mich über diesen Irrsinn zu freuen. Wenngleich mir die eigentliche seelische Folter erst noch bevorstand. Denn ob es mir gefiel oder nicht, ich musste den ganzen Irrsinn nun wiederholen, bloß rückwärts.
    Also entfernte ich mich von Blaubart, also stand er wieder auf und kam rückwärts torkelnd zu mir gelaufen, also sprang ich auf seinen Rücken und bohrte meine Hauer in sein Genick hinein, um sie dann wieder aus sich selbst verschließenden Wunden herauszuziehen, also vollführte ich den Luftsprung im umgekehrten Salto, also stand ich danach vor ihm und sprach meine letzte Warnung an ihn rückwärts aus und

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