Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman
entspannt an seiner verstümmelten Pfote und streifte sie sich zwecks Kühlung mehrmals über den Schädel. »Wer sagt denn, dass wir die doofen Pfoten brauchen, um dahin zu gelangen?«
»Sehr witzig. Sollen wir vielleicht ein Taxi rufen?«
»Nö, viel zu teuer. Aber wie wär’s mit der U-Bahn?Die nächste Station ist um die Ecke, Scheiße ja!«
»Ja klar, wir nehmen die U-Bahn. Aber vorher lösen wir noch ein Senioren-Ticket oder wie?«
Der alte Kämpe fuhr mit seiner Putzerei in aller Gelassenheit fort. »Soviel ich weiß, braucht unsereins überhaupt kein Ticket. Ja, ja, dieses Tierschutz-Ding ist echt eine geile Sache. Ich jedenfalls fahre andauernd mit der U-Bahn.«
»Haha, noch ein toller Witz. Und wohin fährst du so? Deine Verwandten besuchen?«
»Nö. Zum Fischmarkt. Von dem, was da am Schluss weggeworfen wird, könnte man ganze Rudel von uns ernähren. Tja, das sind halt die kleinen Tricks, wenn man im Gegensatz zu dir sein Fresschen selber verdienen muss. Nur das frühe Aufstehen ist ein bisschen blöd, Scheiße ja!«
Ich öffnete das Maul, um wieder etwas Scharfzüngiges zu entgegnen, bis mir plötzlich meine eigene Fantasielosigkeit in ihrer ganzen Tragweite bewusst wurde. Ich schluckte. »Wo, sagtest du noch mal, befindet sich diese U-Bahn-Station?«
10
Wir hatten uns von Sancta und Junior gar nicht erst verabschiedet und waren einfach losgezogen. Blaubart verstand den überhasteten Aufbruch nicht, da wir nach seiner Einschätzung bereits nach einer halben Stunde am Ziel sein würden, also noch jede Menge Zeit hätten. Doch ich war von Neugierde geradezu zerfressen und brannte auf die Erkundung. Außerdem verspürte ich wenig Lust, meinen Lieben lang und breit zu erklären, dass wir mal kurz mit der U-Bahn zum Ägyptischen Museum fahren müssten, um das Geheimnis der kaputten Uhr zu lüften. Vermutlich wären die beiden auf mich gestürzt und hätten mich so lange im Schwitzkasten behalten, bis man eine ordentliche Zwangsjacke aufgetrieben hätte.
»Also, ich kenne nur die Linie zum Fischmarkt, Francis«, sagte Blaubart, nachdem wir unsere Straße verlassen hatten und in die große Allee in Richtung U-Bahn-Station abgebogen waren. Über unseren Köpfen strahlte ein glutroter Sonnenuntergang, der als Hintergrund zu dem verschlungenen Astwerk der Baumreihen zu beiden Seiten eine illuminierte Arabeske lieferte. »Die Linie zum Museum musst du schon selbst herausfinden.«
»Kein Problem. Wir dackeln einfach zum Service-Point und fragen. In Sachen Service hat sich bei der Bahn in den letzten Jahren enorm was getan, hört man.«
Er wusste, dass ich ihn auf den Arm nahm, und lächelte nur müde. Obwohl ich den Clown gab, rumorte es in mir. Zum einen deshalb, weil ich nicht wusste, was mich am Ziel erwartete und wie zu handeln wäre, falls es in diesem Mysterium tatsächlich zu einem Durchbruch käme. Zum anderen musste ich mir nach den Erfahrungen der letzten Tage eingestehen, dass man bei der Zeitmaschine sofort den Rückwärtsgang einlegte, sobald ich mich des Pudels Kern auch nur einen Millimeter näherte. Welcher Nutzen würde also dadurch entstehen, dass ich die Wahrheit ans Licht brächte, die Zeit jedoch trotzdem zurückliefe und sich infolgedessen überhaupt nichts änderte? Mit solcherlei defätistischen Gedanken konfrontiert, entschloss ich mich daher aus Trotz und gegen jede Vernunft zu einer drastischen Willensbekundung: Ich würde das Spiel nicht mitmachen! Zwar wusste ich nicht, wie, aber würde ich noch einmal in dieses perverse Zeitkorsett eingezwängt, dann würde ich mich mit aller Macht dagegen wehren, ja, ich würde das Korsett einfach sprengen. Allerdings konnten nach dieser Logik Elefanten auch fliegen.
Allmählich sahen wir in der Ferne den Eingang zu der U-Bahn-Station, auf welche die Allee mündete, ein finsterer Durchlass, der über eine Treppe in den Untergrund führte.
»Eine Frage«, sagte ich. »Reagieren die Menschen nicht ablehnend oder panisch, wenn unsereins mit ihnen in die Bahn einsteigt? Du musst wissen, ich bin seit Langem keine
Bahn mehr gefahren, weil ich gewöhnlich den Rolls-Royce mit Chauffeur bevorzuge, hehe.«
»Im Gegenteil«, antwortete Blaubart. Er ächzte beim Laufen wie ein ausgeleierter Blasebalg und sah überhaupt so aus, als würde ihn jeden Augenblick der Infarkt ereilen. Seine ganze defekte Erscheinung schien für diese anstrengende Expedition fehlbesetzt, und überhaupt für jede Art von Aktion, die über das Schnappen nach einer Fliege
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