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Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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geworfen und sich entweder gegenseitig erschlagen und/oder aufgefressen. Anthropologen sprechen in diesem Zusammenhang von einer äußerst dünnen Schicht namens Zivilisation, welche so lange hält, wie die Grundbedürfnisse abgedeckt sind. Zu denen gehörte anscheinend auch die U-Bahn, wo man, um einen freien Sitzplatz zu ergattern, schon mal das Faustrecht einsetzen durfte.
    Nachdem schließlich alle eingestiegen waren, sah ich unsere Chance endlich gekommen. »Los, Blaubart, springen wir hinein!«, rief ich ihm zu, ohne mich nochmals umzudrehen. Dann hüpfte ich in die Bahn und wandte mich sogleich wieder zurück, um ihm beim Einsteigen behilflich zu sein. Blaubart machte Anstalten, es mir gleichzutun, aber da er nicht gut sehen konnte, schwenkte er den Kopf umständlich hin und her, um zu einer optimalen Einschätzung des Abstands zu gelangen. »Los jetzt, verdammt!«, forderte ich ihn erneut auf. In dem Moment bogen vier Nachzügler um die Ecke, wetzten zu unserem Waggon, streiften dabei Blaubart, der sich erschrocken seitwärts fallen ließ, und hechteten hinein. Danach schlossen sich die Türen mit einem lauten Zischen – das Letzte, was ich sah, war Blaubarts völlig verdattertes Flokati-Gesicht –, und vorbei war es mit meinem Beistand für die Nachforschungen. Die Bahn setzte sich in Bewegung.
    Was jetzt? War es überhaupt möglich, unter diesen Umständen die Reise fortzusetzen, ohne den verlässlichen Kumpan, der mir in brenzligen Situationen zur Seite sprang? Vielleicht sollte ich an der nächsten Station wieder aussteigen und schön nach Hause trotten. Denn schließlich waren
meine Gegner die Götter der Zeit und nicht Mäusekönig Drollig und seine drolligen Spießgesellen.
    Ich wandte mich von der Tür ab und konstatierte augenblicklich, dass mich Blaubart mit seiner Hymne auf die U-Bahn-Menschen, die in Anbetracht von unsereins total aus dem Häuschen geraten, ganz schön angeflunkert hatte. In der Tat, alle Blicke waren nun auf mich gerichtet. Sogar diejenigen, die von mir abgewandt saßen, hatten ihre Hälse über die Schulter nach hinten verrenkt, um mich von oben herab anzustarren. Doch in diesen Blicken lag keineswegs Rührung ob der Kreatur an ungewöhnlicher Lokalität, sondern der Ausdruck stumpfsinniger Abgrenzung. Die Herren der Schöpfung in Billigklamotten made in China fühlten sich durch meine Anwesenheit in ihrem Tran gestört. Ich war nicht willkommen, das war ganz offensichtlich. Na ja, zumindest wurden sie nicht handgreiflich. Dennoch musste ich wie auf dem Präsentierteller mitten auf dem Gang ausharren und die elektronische Anzeigetafel über der Tür im Auge behalten, da ich nicht wusste, wann die Station MUSEUMSMEILE kam.
    »Pscht! …«
    Was, wie, wo?
    Wieder ein »Pscht! …«
    Ich drehte den Kopf hin und her, weil ich glaubte, einer der Passagiere erlaube sich einen Jux mit mir. Doch außer den angeödeten, stummen Fratzen, die mich mit dem Einfühlungsvermögen von Steingötzen beobachteten, fiel mir nichts Besonderes auf. Bis mein Blick unter eine Zweiersitz-Reihe fiel, die trotz des enervierenden Neonlichts im Dunkeln lag. Aus dieser Dunkelheit jedoch stach ein kupferfarbenes
Augenpaar mit der Intensität von glühendem Magma hervor, und wenn ich mich nicht arg täuschte, war solch ein Augenpaar nur bei jener animalischen Art anzutreffen, die so hirnrissig ist, einfach mal in eine U-Bahn einzusteigen, um einfach mal irgendwo hinzufahren.
    Da ich gerade nichts Besonderes vorhatte, beschloss ich, mich zu diesen mich nachdrücklich fixierenden Kupfermurmeln zu gesellen, und kroch ganz vorsichtig in die schattigen Gefilde unter den Sitzen. Und je mehr sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnten, desto tiefer drang ich in ein Reich absoluter Schönheit, aber auch maßloser Traurigkeit ein. Was mir entgegenstarrte, war ein spindeldürres, völlig zerzaustes Häufchen Elend. Gleichzeitig jedoch von solch überwältigendem Liebreiz, dass mir der Atem stockte. Dort unten, eingezwängt zwischen der Innenwand der Bahn und einem der in den Boden verschraubten gelben Füße des Sitzes schaute mich eine verwahrloste Balinesin in einer Kombination aus erwartungsvoller Neugier und tiefster Beklemmung an.
    Die sogenannte Bali erhielt ihren Namen wegen ihrer grazilen Form und Anmut in der Bewegung, die einen ihrer ersten Züchter an balinesische Tempeltänzerinnen erinnerte. Eigentlich ist sie eine sehr helle Langhaar-Siam, doch besitzt das Fell keine Unterwolle und liegt mehr oder

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