Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman
eine überwältigende Herzenswärme, dass es mich umhaute und in die totale Reglosigkeit versetzte.
»Ja, wo kommst du denn her?«, sagte sie mit einer plötzlich ins Kindchenhafte gekippten Stimme, die wohl für unsereins reserviert war, nichtsdestotrotz durch die Wirkung des Alkohols zwischen extremen Oktaven schwankte. »So ein Hübscher wie du hat mir noch gefehlt.«
Sie erhob sich von ihrem Designer-Drehstuhl mit atmungsaktiver Netz-Rückenlehne und kam, präziser wankte, zu mir. Ich ging im Geiste rasch drei Alternativen durch: 1) abhauen, aber dalli!, 2) umfallen und mich tot stellen. So besoffen, wie die Frau war, würde sie mich vermutlich einfach liegen lassen und weitersaufen. 3) Das böse Tier markieren, das sie als Dank für den herzlichen Empfang postwendend in die Hand beißt. Natürlich tat ich nichts von alldem. Im Gegenteil, so zermürbt von den zurückliegenden Geschehnissen, wie ich es war, kam mir die Begegnung wie eine Wellnesskur vor. Zu befürchten hatte ich von der schrulligen Polittante wohl nichts. Na ja, zu gewinnen allerdings auch nichts, außer vielleicht ein paar Streicheleinheiten, die ich jetzt gut gebrauchen konnte.
Sie beugte sich zu mir hinab, und dabei erkannte ich das ganze Ausmaß der Apokalypse, welche die Droge Politik bei einem Menschen anrichten kann. Obgleich ich sie so um die fünfzig schätzte, wirkte sie mit ihren Megarunzeln eher wie weit über sechzig, was selbst das fast fingerdicke, clowneske Make-up kaum zu vertuschen vermochte. Vor allem schien sie irgendwann einen grausamen Stilunfall erlitten zu haben, von dem sie sich nie wieder erholt hatte. Sie trug solch elefantöse Ohrringe, dass sie selbst einem Zigeunerbaron zu schwer gewesen wären. Bei einer Ministerin jedenfalls wirkten sie mehr als grotesk. Ein Doppelkinn war weiß Gott kein schöner Anblick, doch ein Dreifachkinn umso weniger. Ihr abnormal strahlendes Gebiss bestand komplett aus einer Kunststoffsubstanz, die wohl nur ihr Zahnarzt und vielleicht noch einige wenige zum Stillschweigen verpflichtete Chemiker der BASF kannten.
Dennoch plätscherte da dieser Strom der Sympathie zwischen uns. Als sie mich behutsam am Bauch umfasste und zu sich hochhob, schob ich allen Zynismus beiseite und begann zwischen ihren Fingern ergebenst zu schnurren. Man konnte halt aus seiner Haut beziehungsweise aus seinem Fell nicht heraus.
»Ich weiß nicht, wie du hier reingekommen bist, kleiner Freund«, sagte sie und wankte wieder zu ihrem Schreibtisch, wobei sie mich derart liebevoll kraulte, dass ich kurz vor einem Orgasmus stand. »Noch weiß ich, wem du gehörst. Aber ich glaube, ich werde dich behalten.« Ich wollte gerade einwerfen, Entschuldigung, Madam, aber dürfte ich in dieser Angelegenheit vielleicht auch etwas äußern? , aber da fuhr sie schon mit ihrem Selbstgespräch ohne Punkt und Komma fort. »Weißt du, kleiner Freund, obwohl ich dieses Amt innehabe und über ein Budget von achtzig Milliarden verfüge, die es zu verteilen gilt, bin ich sehr einsam. Was heißt einsam, ich kenne außer meinem Chauffeur und diesen Zombies, die sich Abgeordnetenkollegen nennen, keinen Menschen. Jedenfalls keinen, der klar bei Verstand wäre …«
Sie setzte mich auf dem Schreibtisch ab, zog eine Schublade auf und zauberte daraus – gottverdammt, sie wusste genau, wie unsereiner tickte! – eine daumendick mit Leberwurst bestrichene Scheibe Brot heraus. Dann legte sie das gute Stück vor meine Nase hin. »Eigentlich war es für mich als Nachtsnack gedacht, aber ich werde wohl nicht vom Fleisch fallen, wenn ich das achte Stück an diesem Abend nicht esse. Lang nur zu, Kleiner!«
Ich langte zu. Meine raue Zunge schabte die Leberwurst
Schicht um Schicht ab, bis nach und nach nur die kahle Brotseite zum Vorschein kam. Sie beobachtete mich dabei mit amüsiertem Blick und nippte zwischendurch an ihrem Rotwein. Als auf dem Brot keine Spur mehr von der Wurst zu schmecken und zu riechen war, geschweige denn zu sehen, hatte auch sie ihr Glas restlos geleert.
»Glaub mir, mein Kleiner, das Leben ist ein seltsam Ding«, sagte sie und schüttete sich erneut nach. Danach packte sie mich wieder an der Bauchgegend und drückte mich an ihre Himalaja-Brust. Auch wenn ich Gundula mittlerweile buchstäblich ins Herz geschlossen hatte, weil sie mir leidtat, so hätte ich an einer tödlichen Verschnupfung leiden müssen, um die von ihr ausströmende »Fahne« nicht zu riechen. Die Frau roch, als hätte sie sich mit Schnaps parfümiert.
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