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Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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»Ja, ja, ich war auch mal jung, Freund«, fuhr sie fort und torkelte ziellos durch ihr Designer-Büro, wobei aus dem Glas der kostbare Rote da und dort auf den Boden schwappte. »Stell dir vor, ich hatte eine Figur wie eine Sanduhr, und die Kerle haben mir hinterhergepfiffen. Na ja, vielleicht auch die Frauen, so genau weiß ich’s nicht mehr. Jedenfalls war ich sehr schön, vor allem aber klug. Aber ich wollte mehr, die Verhältnisse der Menschen gestalten, Politik machen – und natürlich einen eigenen Dienstwagen mit Chauffeur. Das ist mir auch gelungen. Aber um welchen Preis?«
    Sie hob die Hand mit dem Glas in einer abwägenden Geste, lachte wie weggetreten und blieb in der Mitte des Raumes stehen. »Um den Preis, dass ich inzwischen keine einzige Freundin mehr habe, geschweige denn einen Mann. Von Kindern gar nicht zu sprechen. Ich habe einen fundamentalen
Fehler gemacht: Ich habe mich zu lange und zu oft um mich selbst gedreht.«
    Die gute Frau nahm noch einen kräftigen Schluck und bewegte sich wankend auf die Terrasse zu. Ich für meinen Teil hatte eigentlich inzwischen genug von deprimierenden Lebensbilanzen. Auch wenn sie Herzensgüte bewiesen und sich instinktiv um mein leibliches Wohl gesorgt hatte, was ging mich Gundulas gescheitertes Lebenskonzept an? Schließlich hatte ich mich ja wohl um Dringenderes zu kümmern als um das Luxusproblem einer Ministerin mit Traumgehalt und Traumpension. Sie hätte ja alles hinschmeißen können, wenn ihr das Erreichte nicht genügte. Das seltene Erz namens Glück muss nun einmal jeden Tag neu aus dem Felsen gebrochen werden. Deshalb wäre es sehr nett von ihr gewesen, wenn sie die Freundlichkeit gehabt hätte, mich abzusetzen, damit ich wieder meiner Mission nachgehen konnte. Doch offenkundig dachte sie nicht im Traum daran.
    »Aber soll ich dir etwas verraten, mein Kleiner? Eher wechsle ich die Partei, als mich von diesen Politpfeifen und Staatsmanndarstellern übergehen und in die Muttchen-Ecke stellen zu lassen!«, schrie sie beinahe und betrat hurtigen Schrittes die Terrasse. Das Schmollen über die verpfuschte Existenz war anscheinend wieder wie weggeblasen. »Nein, ich beherrsche die Kunst des Königsmordes noch aus dem Effeff und hab Kraft und Saft genug, um selbst den Thron zu besteigen, so wahr mir mein krankhafter Ehrgeiz helfe! Auch wenn mein eigenes Leben im Eimer ist, so kann ich den anderen immer noch gehörig in den Eimer scheißen! Die werden mich noch kennenlernen …«
    Nun, da die resolute Ministerin und ich auf der Terrasse standen, erschloss sich mir die Architektur, in die ich Hals über Kopf hineingeraten war, in ihrer ganzen Klarheit. Der Gebäudekomplex vom Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, in dem offenkundig sämtliche Ministerien untergebracht waren, bestand aus einem mit jeder Menge Wandarkaden und Gesimsen verzierten Karree, in dessen Mitte sich ein gewaltiger Hof befand. Bloß dass dieser Hof zu einer Art Megakonferenzhalle umfunktioniert und in einem Spinnwebenmuster gläsern überdacht worden war. Man hatte das Alte mit dem Neuen auf diese Weise miteinander versöhnt und gleichzeitig eine Erweiterung des Kanzleramts bewerkstelligt. Fast alle Fenster in dem Block waren in Dunkelheit gehüllt, was darauf schließen ließ, dass um diese Uhrzeit kaum mehr jemand hier arbeitete. Umso heller jedoch strahlte es aus dem Konferenzsaal von unten.
    Zwar streifte mein Blick die Örtlichkeit nur, weil die umhertorkelnde Ministerin mich fest im Griff hatte und ich mich nur sekundenlang, ausschnittsweise und aus der Vogelperspektive umsehen konnte, doch erkannte ich sofort das Wesentliche. Anstatt an einem überdimensionierten ovalen Tisch, wie man es bei solchen Begebenheiten oft im Fernsehen zu sehen bekommt, hatten es sich die inflationären Staatsoberhäupter auf so etwas Ähnlichem wie einer Tribüne mit lederbezogenen Spezialsitzen gemütlich gemacht. Auf was oder wen ihre Blicke gerichtet waren, konnte ich nicht sagen. Denn ein Teil des Raumes, konkret der gegenüber der Tribüne, lag in völliger Finsternis. Die Politiker schienen mit diesem Gegenüber im Dunkel in einen Dialog vertieft zu sein. Es hätte ein Fachmann sein
können, der die Ursachen der Weltwirtschaftskrise durchdeklinierte. Oder mehrere von der Sorte, die gerade eine Power-Point-Präsentation über den Ernst der Lage mit verwirrend vielen Kurven und Prozentangaben abhielten. Oder etwas in der Art. Leider war es mir nicht vergönnt, die Szenerie genauer in Augenschein

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