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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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    Ich beschlo ß , ihn noch in dieser Nacht zur Rede zu stellen ...

Zehntes Kapitel
     
     
    Das Ende einer Geschichte ist immer traurig. Das liegt zum einen daran, weil wir am Ende einer Geschichte wieder in die meist langweilige Realität entlassen werden, und zum anderen, weil im Grunde alle wahren Geschichten traurig enden. Das Leben ist schließlich ein Tal der Tränen, voller Leid, Krankheit, Ungerechtigkeit, Trostlosigkeit und Langeweile. Eine Geschichte, die ein sinnerfülltes Ende hat, ist eine Täuschung. Und das Ende jeder wahren Geschichte ist der Tod. Ich hatte in dieser mysteriösen, blutigen, doch immerhin turbulenten Geschichte mit Bravour die mir von Anfang an zugedachte Rolle des Detektivs gespielt. Auch alle anderen Beteiligten hatten mit überragenden Leistungen geglänzt und konnten eines stürmischen Beifalls sicher sein. Die Geschichte selbst allerdings war einzig und allein vom Propheten geschrieben worden. Über viele Jahre hinweg und mit unerbittlicher Zielstrebigkeit. Er war ein konsequenter Autor und hatte auch den Akt seiner eigenen Demaskierung und Ergreifung nicht ausgelassen. Im Gegenteil, das war sogar der Clou der ganzen Geschichte.
    Wie sehr er sich wünschte, da ß ich sein grauenvolles Erbe anträte und das unvollendete Buch fertig schrieb, dies wurde mir von Sekunde zu Sekunde deutlicher bewu ß t, als ich im brüllenden Schneesturm die Zickzackbahnen der Gartenmauern in Richtung seiner Behausung entlang eilte. Ich hatte große Mühe, nicht im Schnee steckenzubleiben. Alle Anstrengungen und Widrigkeiten nahm ich jedoch wie unter einer Glasglocke wahr, denn mein ganzes Denken war ausschließlich davon erfüllt, einen Einblick in die Schaltzentrale des Bösen zu nehmen und ihm dann von Angesicht zu Angesicht entgegenzutreten.
    Als ich endlich vor seinem Haus ankam, hatte mein Fell einen massiven Eispanzer angelegt, und ich glich einem aus der Kühltruhe entstiegenen Igel. Anstelle von Haaren schienen messerscharfe Eisstachel aus meiner Haut zu wachsen, und sogar meine Schnurrhaare waren steifgefroren, so da ß ich befürchtete, sie würden bei der geringsten Erschütterung zerbrechen. Es hätte nicht viel gefehlt, und ich wäre kaum mehr von Joker on the Rocks zu unterscheiden gewesen. Trotz allem aber konnte sich die äußere Kälte bei weitem nicht mit der inneren messen.
    Ich umkreiste das Haus einmal und registrierte dabei, da ß in keinem der Räume Licht brannte. Es war ausgeschlossen, da ß der Hausherr sich an einem solchen Festtag schon zur Ruhe begeben hatte. Entweder mu ß te er verreist sein, oder er tobte gerade auf einer wilden Weihnachtsparty. Der Totenkaiser jedoch befand sich da drin, das war so sicher wie Claudandus unser aller Geschicke lenkte. Ja, vielleicht wartete er sogar auf mich, so wie die Menschen in dieser Nacht auf die Bescherung warteten.
    Seltsamerweise verspürte ich keine Furcht, denn ich wu ß te, da ß Klugscheißer Francis die einzige Chance für ihn war, sein Lebenswerk in ferner Zukunft vollendet zu sehen. Aus was für Gründen auch immer, er wähnte sein Baby bei mir in guten Händen. Doch konnte ich meiner Sache so sicher sein?
    Ich blieb vor dem aufgemotzten Durchgang stehen und überlegte. Gewi ß , ich hatte zum guten Schlu ß eins und eins zusammengezählt und die Zahl Zwei erhalten. Er aber war offensichtlich verrückt, so da ß seine Mathematik ganz anderen Gesetzmäßigkeiten folgen mu ß te. Ja, wahrscheinlich war er des Rechnens gar nicht mehr fähig. Im nächsten Moment wieder schüttelte ich den Kopf und lächelte bitter in mich hinein. Nein, der Prophet war ganz und gar nicht verrückt, und zugegebenermaßen entbehrte sein Traum nicht einer gewissen Logik. Logik! Schon wieder dieses verha ß te Wort. Das Wort, das von jeher wie ein Fetisch mein Leben begleitet und bestimmt hatte, und so wie die Dinge aussahen, auch seins. Der Prophet hatte einen logischen Grund für all das Morden gehabt, keinen verrückten - soweit man für Mord überhaupt einen Grund haben konnte. Doch Gründe hin, Gründe her, nach dieser Nacht würde das Morden ein Ende nehmen. So oder so ...
    Ich passierte den Eingang und betrat das finstere Haus. Es war kaum anzunehmen, da ß er irgendwo auf mich lauerte und sich bei passender Gelegenheit auf mich stürzen würde. Wie gesagt, er pflegte »bedeutungsschwanger« zu sprechen, bevor er an einem Nacken Maß nahm. Wahrscheinlich schlief er gegenwärtig und würde meine Anwesenheit erst nach und nach

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