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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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heimlich zusteckten. Es war Weihnachten hinter diesen Fenstern im Abendrot, Weihnachten forever!
    Natürlich sagte mir das böse, runzelige Männchen, das sich in meinem Hirn stets zu Wort meldete, wenn ich es mit der Schwelgerei gar zu arg trieb, da ß es in Wahrheit niemals ein Weihnachten gab. Hinter diesen Fenstern saßen immer dieselben blöden Leute mit ihren blödsinnigen Lebensansichten und ihrem blödsinnigen Leben herum. Immer dieselbe Leier ... Irgendwelche langweiligen Ehekrisen, irgendwer ging mit irgendwem fremd, irgendwelche gerade erfolgreich abgeschlossenen Scheidungen, irgendwelche misshandelten Kinder, irgendwelche Krebsgeschwüre, deren wunderbare Existenz der überaus mitfühlende Onkel Doktor einem mitteilen würde, sobald die Testergebnisse aus dem Labor kämen, irgendwelche hoffnungslosen Verlierer mit Alkoholproblemen, irgendwelche ewig Einsame, irgendwelche armseligen Selbstmordversuche, die größtenteils nicht hinhauten, irgendwelches Klagen und Heulen über das verpa ß te Leben, irgendwelches hysterisches Lachen über die miesen Witze eines miesen Schauspielers im Fernsehen, der ein Gebi ß trägt, irgendwas Dummes, Sinnloses, Lächerliches ... Hinter den Fenstern lief nie ein Frank-Capra-Film ab, sondern immer der gleiche schäbige Werbespot, der einen aufforderte, weiterzuleben, ohne dafür einen triftigen Grund zu nennen.
    Plötzlich sah ich hinter einem riesenhaften, wie aus einer Kathedrale entnommenen Giebelfenster ein Tier. Ich gestehe, es klingt grotesk, wenn ich im Zusammenhang mit meiner Art das Wort Tier gebrauche. Doch ich erkannte gleich beim ersten Anblick, da ß das merkwürdige Wesen am Fenster eines dieser bis zur Unkenntlichkeit renovierten Altbauten nur entfernt mit meinesgleichen etwas gemein hatte. Es war noch sehr jung, fast ein Baby, deshalb kamen die dominierenden Merkmale nicht so deutlich zum Vorschein. Ein Laie hätte es vorbehaltlos für ein Mitglied aus unserer allseits beliebten Truppe halten können, und wahrscheinlich taten dies auch die Leute, die es beherbergten. Es hatte ein helles, sandfarbenes Fell und winzige, flachangelegte Ohren. Der Kopf war sehr rund und die Körperform unheimlich gedrungen. Am faszinierendsten aber waren die Augen. Wie zwei glühende Sonnen leuchteten sie in der Finsternis und schienen auf etwas ganz Bestimmtes zu warten. Sein buschiger Schwanz klopfte unentwegt gegen die Fensterscheibe, aber sonst war es unbeweglich wie eine Statue. Dann ging in dem Zimmer, von dem aus es uns gelassen aus der Ferne beobachtete, das Licht an. Es sprang vom Fensterbrett herunter und war verschwunden.
    Ich war derart in den Bann dieser Begegnung gezogen, dass ich vor Schreck zusammenzuckte, als vor uns auf der Mauer unversehens die zwei Oberpfeifen auftauchten, mit denen ich mich in Zukunft noch lange würde herumquälen müssen.
    Sie waren die typischen fiesen Eckensteher, die von der Lebensmission beseelt waren, am laufenden Band unschuldige Leute zu belästigen, wo es nur ging, Stunk zu machen und sich nur dann auf blutige Prügeleien einzulassen, wenn diese sich gegen Schwächere richteten. Der größte Teil ihres Intellekts, soweit sie welchen besaßen, war wahrscheinlich mit der immer wiederkehrenden Frage beschäftigt, wie sie über sich selbst und andere Verderben bringen könnten. Zwei rattengesichtige, verschlagen dreinschauende orientalische Kurzhaar-Zuchtwracks, deren Steckenpferd darin bestand, aus fremden Töpfen Futter zu klauen und genü ß lich auf teure Teppiche zu kacken. Feige und psychopathisch zugleich; einer linkischer und abstoßender als der andere. Der vorwitzigere von den schwarzen Brüdern schielte so sehr, da ß er das Weltgeschehen etwa hundertachtzigfach sehen mu ß te. Prägnanter Erbfehler, der mehr über den Charakter aussagt als jede wissenschaftliche Untersuchung. Der andere Blödmann trug ein dämliches, schiefes Grinsen zur Schau, das wohl genau die Art Humor demonstrieren sollte, zu der er fähig war.
    Sie standen uns auf der Mauer gegenüber und versperrten uns so den Weg. Und - legt ein krankes Huhn viereckige Eier? - sofort gingen sie in Kampfstellung. Die beiden Ekelgesellen starrten uns intensiv an und stießen offensive Töne aus. Ihre Ohren waren kerzengerade aufgestellt; die Pupillen zogen sich immer mehr zusammen, und die Schwänze peitschten eng um die dünnen, wie Ofenrohre langgezogenen Körper.
    Blaubart stoppte, blickte gähnend an ihnen vorbei und tat ansonsten so, als seien sie die Art von

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