Felidae
Öffentlichkeit drang und mit ihnen in Verbindung gebracht wurde. Deswegen wurde die Forschung auf diesem Gebiet auch gänzlich eingestellt, obgleich man ja anfangs noch beabsichtigte, Sie durch Ihren Todfeind Knorr zu ersetzen. Als die hohen Herren ziemlich spät merkten, was für eine Sauerei Sie in den unbeaufsichtigten Monaten veranstaltet hatten, wurde das Labor kurzerhand dichtgemacht, das Schild draußen in aller Eile herausgerissen und das »Unternehmen Gewebekleber« einfach dem Proze ß des Gras-darüber-wachsen- L assens anheimgegeben. Einige unbeseitigte Spuren bereiteten den Herren jedoch beträchtliche Kopfschmerzen, um so mehr, weil sie keine Möglichkeit sahen, diese unauffällig zu verwischen. Denn die eigentlichen Objekte ihrer Vertuschungsaktion befanden sich in der Freiheit, durchstreiften die umliegenden Gärten, versteckten sich vielleicht gar. Was würde passieren, wenn andere Menschen diese Monstren entdeckten? Würden sie nicht Verdacht schöpfen und diese armen entstellten Viecher direkt mit dem undurchsichtigen Laboratorium in ihrer Nachbarschaft in Verbindung bringen? Bestimmt sogar! Folglich mu ß te jedes Tier, das aus dem Labor ausgebrochen war, ebenfalls beseitigt werden. Diese Erklärung klingt für mich plausibler.
- Hahaaa! Ihr tolldreistes Vorstellungsvermögen übertrifft ja sogar meinen kranken Geist, lieber Francis. Sie glauben also tatsächlich, da ß statt meiner irgendwelche Tierkiller im Auftrage von PHARMAROX herumrennen und Ihre Freunde umbringen? Womöglich auf allen vieren! Sehr amüsant, wirklich sehr amüsant. Sie tappen genau in die Fallen, die Sie für mich aufgestellt haben. Erlauben Sie mir bitte, Ihre fadenscheinige Hypothese aus den Angeln zu heben. Erstens: Wieder einmal ist es die Zeit, die gegen die Logik spricht. Haben es diese ominösen Tierkiller in acht Jahren immer noch nicht geschafft, alle verkrüppelten Versuchstiere zu eliminieren? Glauben Sie im Ernst, da ß sich ein Unternehmen wie PHARMAROX acht Jahre lang mit so einer Idiotie herumschlagen würde? Zweitens: Wenn die Killer es so sehr darauf anlegen, die lebenden Beweise der verbotenen Experimente zu beseitigen, warum liegen dann die Leichen wie zur Besichtigung für die Blicke eines jeden Spaziergängers frei in der Landschaft herum? Und drittens Sherlock - das ist jetzt die Preisfrage: Waren die Ermordeten, außer Felicitas, irgendwie verstümmelt? Nein? Hahaaa! Hahaaa! Erst denken, dann reden, wie der gebildete Humanist zu sagen pflegt! Hahaaa! Hahaaa! Hahaaa! ...
Dieses Zwiegespräch entspann sich in meinem Schädel, nachdem ich die Lektüre des Tagebuchs von Professor Julius Preterius beendet hatte und nun zwanghaft versuchte, daraus Schlüsse in bezug auf die Mordserie zu ziehen. War das so merkwürdig? Obwohl ganz objektiv betrachtet zwischen den gegenwärtig stattfindenden Morden und dem Laborhorror von 1980 keinerlei Verbindung zu existieren schien, spürte ich instinktiv, da ß beide Dinge einfach zusammengehören mu ß ten. Das lag zum einen daran, weil die im Tagebuch beschriebenen Grauen von einem derart unvorstellbaren Ausmaß waren, da ß sie, gleichsam einer satanischen Kettenreaktion folgend, einfach bis in die Gegenwart weiterwirken mu ß ten . Das Böse ist wie eine sich unendlich teilende Zelle, und ist es einmal geboren, gebiert es immer mehr Böses. Das ist die erbarmungslose Quantenmechanik des Universums. Zum andern mu ß te man die Empfindungsfähigkeit einer Amöbe besitzen, um nicht zu merken, da ß sich die mysteriöse Mordserie um meine Art drehte. Gewi ß , Mörder wie Ermordete gehörten meiner Spezies an, so da ß in diesem Stück Elefanten logischerweise keine Rolle spielten. Doch da war auch noch etwas anderes, etwas, was ganz speziell uns, die FELIDAE betraf. Und dieses etwas führte wahrscheinlich zu der langersehnten Auflösung. Das spürte ich, das wu ß te ich.
Trotz der klugen Einsichten wäre es vielleicht angebracht gewesen, eine Gedenkminute für all die Gepeinigten und Toten einzulegen, deren Andenken auf eine groteske Weise einzig und allein dieses verschimmelte Tagebuch pflegte. Doch ich war nicht imstande dazu. Lieber spielte ich den hypergenialen Detektiv, als über diese Hölle auf Erden nachzudenken, die zwar in der Vergangenheit stattgefunden hatte, aber nicht vergangen war. Denn nichts geht verloren in dieser Welt, alles bleibt. Leider oder zum Glück? Ich hätte ein paar Gedanken an Claudandus verschwenden sollen, diesen
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