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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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bemitleidenswerten Kerl, der mit größter Wahrscheinlichkeit am Ende des Dramas gestorben war. Tränen hätten meine Augen füllen sollen in Anbetracht seines so über alle Massen traurigen Schicksals, in Anbetracht dessen, was man aus seinem Leben gemacht hatte, was Lebewesen, sobald sie eine bestimmte Körpergröße, ein bestimmtes Hirnvolumen und ein bestimmtes Selbstverständnis besitzen, mit anderen Lebewesen anstellen. Trauer hätte ich empfinden müssen eingedenk der Opfer, aber auch des Täters, weil, nun weil mir dies alles die immerwährende Verzweiflung der Welt und die Unvollkommenheit der darin Lebenden vor Augen führte. Kurz, ich hätte all das verstehen und mein bi ß chen Traurigkeit dazu beisteuern sollen.
    Doch stattdessen empfand ich nur Ha ß , unbeschreiblichen, kolossalen Ha ß auf Preterius und auf seine verfluchten Artgenossen. Preterius war jedoch ein Verschollener, eine zu armselige und imaginäre Figur, um ihn aus vollem Herzen hassen zu können. Und auch die anderen Menschen, die draußen ihrer menschlichen Wege gingen, irgendwelche blödsinnigen Tätigkeiten ausführten, die so taten, als seien sie schlau, gebildet, modebewu ß t, einfühlsam, witzig, talentiert, als seien sie wirklich Menschen, waren zu gesichtslos und zu unbedeutend, als da ß sie meines kostbaren Hasses wert gewesen wären. Deshalb konzentrierte ich - wahrscheinlich nicht bewu ß t - meine gesamten Ha ß energien auf den Täter der bestialischen Morde. Dieser war greifbarer, ergreifbarer, und mit meinem Spürsinn hatte ich vielleicht eine Chance, ihm das Handwerk zu legen.
    Drei Aufklärungsmöglichkeiten, und alle besaßen sie Haken von der Größe von Schiffsankern. Ich ließ mir jede Zeile des Tagebuches und jedes wesentliche und unwesentliche Ereignis der letzten Tage wieder und wieder durch den Kopf gehen, spulte sie vor meinem geistigen Auge wie einen Filmstreifen vor und zurück und zwang meine grauen Zellen dazu, Zusammenhänge zwischen ihnen herzustellen. Doch es half nichts. Im Augenblick hatte ich keine weiteren Lösungsmöglichkeiten anzubieten. Vielleicht brauchte ich das auch gar nicht mehr, denn unversehens beschlich mich das Gefühl, da ß ich beobachtet wurde. Ich wu ß te nicht genau, wieviel Zeit ich damit verbracht hatte, das Tagebuch zu studieren und darüber zu sinnieren, aber ich war mir absolut sicher, da ß die Augen, unter deren Beobachtung ich jetzt stand, erst vor ein paar Minuten aufgetaucht sein mu ß ten.
    War es nun soweit? Kam nun ich, die Nummer sieben, an die Reihe?
    Es sprang, nein, es scho ß wie eine durchgedrehte Fernlenkrakete auf mich zu. Es hatte in der Luke oberhalb der Wand gelauert, die den Keller vom niedriggelegenen Garten trennte. Ein markerschütterndes Kreischen gellte durch die Luft. Der heimtückische Angreifer zischte richtiggehend während seines Fluges, und es war stark anzunehmen, da ß er dabei sein Haifischmaul weit aufgerissen hatte.
    Noch bevor ich von lähmender Angst überwältigt werden konnte, reagierte ich. Mit einem pfeilschnellen Satz katapultierte ich mich zur Seite, als sei ich auf ein Trampolinnetz geworfen und wieder hochgeschleudert worden.
    Kong klatschte mit dem Gesicht genau auf die inzwischen ausgeblutete Ratte und befleckte seinen strahlend weißen Brustpelz mit dem roten Saft. Doch der Kerl hatte seinen Namen nicht von ungefähr erhalten. Denn das peinliche Malheur schien weder seinen Stolz noch seine teuflische Aggressivität abgeschwächt zu haben. Er war gerade unten aufgeschlagen, da wirbelte er schon wieder wie ein infernalischer Dämon empor und funkelte mich so kalt und endgültig an wie die Kobra das Kaninchen. Und er lachte, was bei ihm ein ohrenbetäubendes Brüllen bedeutete.
    »Habe ich dir nicht versprochen, da ß wir noch eine Unterredung unter vier Augen führen würden?« scherzte er, und das Rattenblut tropfte von seinem Brustpelz auf das Tagebuch.
    »Ich entsinne mich dunkel«, sagte ich. »Worüber wolltest du mit mir sprechen? Über das lautlose Heranpirschen? Da kann ich dir 'ne Menge Tips geben.«
    Tja, ich war halt auch ein Scherzbold.
    »Das ist wirklich komisch«, lächelte er sanft wie ein Henker. Wir begannen ganz langsam umeinander zu kreisen.
    »Du scheinst überhaupt ein sehr komischer Vogel zu sein. Oder sollte ich vielleicht sagen, ein feiner? Ich hab's dir gleich angesehen, da ß du dich für was ganz Besonderes hältst, für einen eitlen Geck. Sagt man das so? Du kennst dich mit diesen raffinierten

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