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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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Strapazen und die heimelige Sonntagsstimmung übten eine positive Wirkung auf mein Befinden aus. Es sollte aber noch besser kommen.
    Jene Stimme, die mich plötzlich von draußen rief, hätten die ehrwürdigen Autoren von Tausendundeiner Nacht wahrscheinlich mit dem Adjektiv ›lieblich‹ apostrophiert. Auf eine unerklärliche Weise unterschied sie sich jedoch von den vielen Weiberstimmen, die ich bisher vernommen hatte. Etwas Geheimnisvolles, Dunkles, etwas Fremdartiges verbarg sich darin, und natürlich auch etwas, dem man schwerlich widerstehen konnte. Sie sang ihr Lied so melodiös und so leidenschaftlich, da ß mir vor Lust beinahe die Sinne schwanden. Langsam erhob ich mich, machte einen straffen Buckel und flehmte dann inbrünstig. Ihr Geruch voll verschlüsselter Liebesbotschaften brachte meine Säfte zum Kochen und schenkte mir mein verloren geglaubtes Körpergefühl zurück. Ich spürte, wie mein ganzes Ich wie Wachs im Glutofen dahinschmolz, und wie mein Denken nur noch von einem Wunsch beseelt wurde, nämlich mich mit diesem Geruch zu vereinen. Der intensive Drang, ihr mit meinem Geruch zu antworten, wurde schließlich unbezähmbar.
    Ich sprang vom Bauch des Schnarchers herab, rannte in die Toilette und sprang auf die Fensterbank.
    Es war die Begegnung mit einer Königin! Es war der Anblick von Kleopatra! Sie rollte, wandte und rieb sich mit göttlicher Geschmeidigkeit auf dem Terrassenboden und sang dabei ohne Unterla ß ihre lockende, unwiderstehliche Melodie. Zunächst dachte ich, da ß ich nie zuvor ein Exemplar ihrer Rasse gesehen hatte. Doch dann fiel mir der Artgenosse ein, der kurz an einem Fenster erschienen war, als Blaubart mich zu Deep Purples Leiche geführt hatte. Auch ihn hatte ich damals keiner mir bekannten Rasse zuordnen können und darüber nicht schlecht gestaunt. Ohne Zweifel stammte die Holde, die sich nun auf meinem Territorium so verführerisch feilbot, ebenfalls von dieser unbekannten Familie ab.
    Ihr sandfarbenes Fell, das auf der Bauchseite ins helle Beige überging, reflektierte das Sonnenlicht so sehr, da ß man meinen konnte, sie trüge ein Gewand aus Gold. Aber am bezauberndsten waren ihre Augen. Riesengro ß e, strahlend gelbe, hypnotisierende Juwelen, wie sie nur einer Herrscherin angemessen sein konnten. Sie stachen besonders hervor, weil ihr Kopf klein und ihre Figur ein wenig gedrungen waren. Sie peitschte den buschigen Schwanz beständig zur Seite und entblößte so ihr Geheimnis, als reiche ihr Liebesflehen nicht aus, um mich verrückt zu machen. Doch ich stand bereits in lodernden Flammen, war schon längst ihr willenloser Sklave geworden.
    Ehe ich mich versah, entrang sich ein heiserer Schrei meiner Kehle und vereinigte sich mit ihrem betörenden Gesang. Um meine Gegenwart noch deutlicher herauszustreichen, ließ ich mich auf den Balkon fallen und beschenkte die Welt mit einer beträchtlichen Dosis meines umweltfreundlichen Allzweckstrahls. Alle Gerüche vermischten sich nun in der Luft, verwandelten sich in die magische Atmosphäre, die uns betäubte und berauschte.
    Sie räkelte sich noch wilder und schien es gar nicht mehr abwarten zu können. Dennoch war Vorsicht geboten. Wiewohl ihr Verhalten keinen Zweifel über ihre Sehnsucht ließ, war es ein Trugschlu ß , automatisch anzunehmen, da ß sie ausgerechnet mich für die gute Sache auserkoren hatte. Im Gegenteil, wahrscheinlich war dieser Platz von ihr als Zulaufstelle für alle Verehrer der Umgebung ausgewählt worden. Ich mu ß te mich also beeilen, denn was diesen Bereich des Lebens anging, besaßen meine Geschlechtsgenossen die Sensibilität von militärischen Frühwarnanlagen. Selbstverständlich war ich von vorneherein im Vorteil, weil Konkurrenten von benachbarten Territorien Hemmungen haben würden, auf mein Gebiet vorzudringen. Aber einer so süßen und fordernden Verlockung zu widerstehen, ginge doch über ihre Kräfte, und sie würden letztlich alles riskieren.
    Um schnell einen Erfolg zu verbuchen, machte ich von einem altbewährten Kunstgriff Gebrauch. Als sie einmal kurz wegsah, hechtete ich vom Balkon auf die Terrasse und blieb dort wie versteinert stehen. Sie merkte, da ß ich ihr wie durch einen Zaubertrick ein wenig nähergekommen war, und fauchte. Dann jedoch rollte sie sich wieder lüstern und schaute dabei in eine andere Richtung. Ich packte die Gelegenheit beim Schopfe und näherte mich ihr abermals ein Stück. Sobald sie den Kopf zu mir wandte, erstarrte ich erneut zu einer Salzsäule und

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