Felidae
endgültig.«
»Da kannst du mal sehen, was für ein begnadeter Schauspieler ich bin. Vielleicht sollte ich Werbung für Trockenfutter machen oder für den Sinn und Vorteil der Einschläferung!«
Er lachte lauthals. Im nächsten Moment wurde er aber wieder ernst und sah mich mit seinen unergründlichen, glühend gelben Augen prüfend an.
»Ach Francis, ich kann es nicht mit ansehen, wie du dir so verbissen den Schädel zerbrichst. Heute ist Weihnachten. Du solltest diesen miserablen Thriller einstweilen vergessen und ein wenig ausspannen. Und wer weiß, vielleicht passiert ja ein Wunder, und du kommst durch eine Eingebung auf die richtige Lösung. Da bin ich mir sogar sicher. Ich wünsche dir ein frohes Fest - und gib nicht auf, an Wunder zu glauben!«
Er verabschiedete sich und zog ebenfalls von dannen. Blaubart und ich waren nun ganz allein im Raum und schauten betreten zu Boden. Ich merkte, da ß auch er sich unbehaglich fühlte, wiewohl er Pascals kompakte Lösung eigentlich favorisieren mu ß te. Doch die Sache war noch lange nicht ausgestanden, und das wu ß te Blaubart verdammt gut.
»Ein frohes und nahrhaftes Fest, Blaubart. Und danke für die erstklassige Arbeit, ohne die wir jetzt immer noch im d unkeln tappen würden. Gott möge dich beschützen, Bruder«, sagte ich. Dabei vermieden wir sorgsam jeden Blickkontakt.
»Scheiße, dank dir doch selber, Kumpel! Hab mir ja dabei nicht gerade 'ne Rippe verrenkt. Pascal hat recht. Du solltest über die Weihnachtstage echt ein bi ß chen kürzer treten. Mach 'ne Schlafkur oder nimm dir mal wieder 'ne Schnalle vor oder verprügele diesen dämlichen Kong, sonst tue ich es. Jedenfalls versuch, auf andere Gedanken zu kommen. Also viel Spaß und pa ß auf, da ß der alte Mann mit dem weißen Bart dir heute n acht nicht auf den Schwanz tritt.«
Er kehrte mir den Rücken zu und humpelte hurtig in Richtung Tür davon.
»Ach, Blaubart!«
Ein bi ß chen zu abrupt blieb er stehen und wandte mir den zotteligen Kopf zu. In seinem gesunden Auge schien ein wissendes Lächeln zu spielen.
»Glaubst du, da ß Joker unser Mann ist?«
»Nein«, sagte er wie aus der Pistole geschossen.
»Was meinst du, wer es ist?«
»Immer der, den du finden wirst, Klugscheißer.«
Er drehte sich um und verschwand durch die Tür.
Der Verdacht! Der Verdacht in meinem Kopf! Er verdichtete sich immer mehr, und mir platzte fast der Schädel. Ein merkwürdiger Plan begann langsam in meinem Kopf Gestalt anzunehmen. Noch merkwürdiger war, da ß ich diesen Plan in die Tat umsetzen würde, obwohl die Aussicht auf Erfolg gleich Null war. Doch ich war plötzlich wie besessen davon. Aberglaube, Zwang, Ritual, es gab viele Bezeichnungen für derlei irrationales Verhalten. Mir war es einerlei, denn mit einem Mal hatte ich die Haut des kühlen Statistikers abgestreift und war wieder in die des hemdsärmeligen Detektivs geschlüpft.
»Ach, Blaubart!«
Der Monsterkopf erschien an dem wurmstichigen, von Feuchtigkeit und Insekten zerfressenen Türpfosten. Sein in der Dunkelheit wie ein magischer Edelstein strahlendes Auge verriet, dass er wu ß te, welche Frage ich ihm nun stellen würde. Er gab sich keine Mühe mehr, sein Lachen zu verbergen.
»Wo liegt das Porzellanhaus, in dem Joker wohnte?«
Wieder dieses stille Einverständnis, das jede Erklärung überflüssig machte. Der Kerl dachte dasselbe wie ich und wollte, da ß das Theoretisieren endlich aufhörte. Wie am Anfang unserer Begegnung sollten Taten folgen, nicht eine neunmalkluge Sprechblase nach der anderen. Ohne nach dem Warum zu fragen oder mir vorzuwerfen, da ß das Haus bereits von ihm gründlich abgesucht worden sei, verriet er mir die Adresse und verschwand dann ohne ein weiteres Wort.
Ich hörte ihn in der Stille beschwerlich die Stufen hinabtapsen, unten den Flur durchqueren und durch die Hintertür nach draußen hinken. Dann wartete ich noch ein paar Minuten, bis meine Nerven zum Zerreißen gespannt waren und ich schließlich glaubte, jeden Augenblick explodieren zu müssen.
Bevor ich den Verstand endgültig verlor, lief ich die Stufen in riesigen Sätzen herunter, verließ das Haus und rannte in das Schneetreiben hinaus. Nach Blaubarts Beschreibung befand sich das Porzellanhaus im äußersten Winkel des Distrikts, so da ß ich noch eine gute Strecke über die Gartenmauern zurücklegen mu ß te. Doch die Besessenheit, von der ich nun ergriffen war, betäubte mich wie Speed, härtete mich gegen jegliche Anstrengung ab und ließ mich
Weitere Kostenlose Bücher