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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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große Entfernungen wie im Fluge bewältigen. Ich hatte nur eine verschwommene Vorstellung davon, was ich in dem Porzellanhaus wollte. Aber irgendetwas in mir verhieß die überraschende Wende; zumindest würde ich dort den Beweis für meine Theorie finden. Ich erinnerte mich an Blaubarts Worte, nachdem er sich in dem Gebäude umgesehen hatte:
    »Hab die Klitsche von oben bis unten nach Ehrwürden durchsucht. Sogar in dieses verdammte Lager im Dachgescho ß bin ich eingedrungen, was 'ne ziemlich gruselige Angelegenheit war. Die Regale dort bersten nämlich von Porzellanfiguren, die uns in Lebensgröße darstellen."
    Die Regale ... die Regale, die von Porzellanfiguren barsten, die unsere Art darstellten - in Lebensgröße! Blaubart war durch ein Kellerfenster ins Haus gestiegen und hatte es demnach nicht von oben bis unten, sondern von unten bis oben nach Ehrwürden durchsucht. Folglich war er durch eine geöffnete Tür in das Lager gelangt. Dann hatte er einen Spaziergang darin unternommen und den zerbrechlichen Kram unter die Lupe genommen, soweit es in seinen Kräften stand und soweit die räumlichen Gegebenheiten es ihm erlaubten. Das heißt, er hatte all diese Porzellanfiguren, die uns so verdammt ähnlich sahen, aus der Frosch- beziehungsweise Felidaeperspektive gesehen - und zwar nur mit einem Auge.
    Das war's! Er hatte keine Möglichkeit gehabt, auf die Regale zu blicken.
    Endlich gelangte ich vor das Haus, das in dieser pittoresken Schneelandschaft mit seinen fleckigen, verschimmelten Fassaden und seiner düsteren Ausstrahlung wie ein wiederauferstandener Leichnam wirkte. Der Porzellanladen schien offensichtlich keine Goldgrube zu sein, denn der Besitzer hatte den Altbau auf eine solch unverantwortliche Weise herunterkommen lassen, da ß er bei einer Inspektion des Bauamtes mit der saftigsten Geldbu ß e der Weltgeschichte beschenkt worden wäre. Die Dachrinnen hatten sich halb aus ihren total verrosteten Verankerungen gelöst und hingen schräg herunter. Ein kräftiger Windsto ß hätte den ganzen Schrott auseinandernehmen und über dem Kopf eines ahnungslosen Spaziergängers zusammenkrachen lassen können. Nicht anders erging es den Mauern. Diese schienen lediglich notdürftig von den Spalieren für den wild um das Gebäude rankenden Efeu zusammengehalten zu werden und wiesen überall mächtige Risse auf, die Assoziationen zu gähnenden Schlunden weckten. Die Fenster sahen wie blinde Augen aus, und dieser Eindruck entstand nicht allein dadurch, da ß sie völlig verschmutzt waren, sondern auch dadurch, da ß bei manchen einfach die Scheiben fehlten. Ein Balkon im zweiten Stock besaß kein Geländer mehr und ließ seine einstige Funktion nur noch erahnen. Alles in allem hatte ich das Gefühl, da ß hier ein brutaler Einsatz unseres bewährten Actionteams, bestehend aus Action-Archie, Codename »Nierentisch-Terminator«, und Action-Gustav, genannt der »Parkettboden-Ninja«, dringend vonnöten war.
    Was das Eindringen ins Hausinnere betraf, hatte ich nicht so ein Glück wie Blaubart. Ich umrundete das Gebäude einmal, fand jedoch diesmal sämtliche Kellerfenster verschlossen. Man konnte sich aber leicht vorstellen, da ß eines der Dachfenster oder gar mehrere einen guten Einblick in das Lager gewährten, und so war mein ganzes Sinnen und Trachten nur von dem Gedanken erfüllt, so schnell wie möglich nach oben zu gelangen. Um dies zu bewerkstelligen, blieb mir keine andere Möglichkeit übrig als die, an die ich zuerst gedacht hatte, eine Möglichkeit allerdings, die mit tödlichen Risiken behaftet war.
    Wieder zu der Rückfront zurückgekehrt, hechtete ich kurzentschlossen auf einen etwa drei Meter vom Gebäude entfernt stehenden Baum, dessen stufenförmig angeordneten Äste sich ideal zum Klettern eigneten. Der höchste Ast reichte zudem bis übers Dach. Wenn man mit einem derart hochentwickelten Gleichgewichtssinn wie dem unserigen ausgestattet war und besonders geschickt vorging, konnte man hüpfenderweise problemlos zum Gipfel gelangen und, noch wichtiger, wieder herab. Die Gefahr bestand allerdings darin, da ß die Äste immer dünner wurden, je mehr der Baum sich zur Krone hin verjüngte. Die ganze Angelegenheit erforderte also das Talent und die Wendigkeit eines Trapezkünstlers.
    Als ich den Stamm emporgekraxelt war und mir auf einem dicken Ast eine Verschnaufpause gönnte, registrierte ich eine zusätzliche Gefahr. Der ganze Baum war nämlich vereist, und ich mu ß te mich verdammt achtsam bewegen,

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