Felipolis - Ein Felidae-Roman
einzudringen. Was sich hier versammelte, waren nicht nur ein paar einzelne Verirrte. Wir hatten es hier mit dem ganzen Revier, wenn nicht sogar mit noch ein paar Nachbarrevieren zu tun. Und ob man es mir glaubt oder nicht, ich entdeckte in der unübersichtlichen Masse sogar Sancta, die treudoof den anderen hinterhertaperte. Am weit geöffneten Tor der Halle standen zwei plump wirkende Männer, die anscheinend die Aufgabe von Viehtreibern übernommen hatten. Allerdings war es ganz offenkundig, dass keiner der spitzohrigen Besucher zu etwas gezwungen wurde. Die beiden Ordner standen nur am zweiflügligen Tor herum und ließen den Tross an ihren Füßen vorbei seelenruhig in die Halle ziehen. Was, verdammt, ging da vor sich?
Forster setzte sich auf einen klapprigen Stuhl und beobachtete aufmerksam das Treiben in der Halle. Er schien auf einen geeigneten Moment zu warten, um … Nein, ich hatte keine Zeit, mir die Katastrophe auszumalen, ich musste handeln, bevor die Katastrophe eintrat. Und zwar pronto! Leise zog ich meinen Kopf aus dem Türspalt und trippelte so schnell es ging den Weg zurück, den ich gekommen war.
Als ich endlich auf den Hauptflur gelangt war und mich wieder einigermaßen in Sicherheit wähnte, überlegte ich in rasender Geschwindigkeit, wo sich diese ominöse Halle befinden könnte. Eins war klar: Lagerhallen platzierte man selten in oberen Etagen. Außerdem erinnerte ich mich, dass die
beiden Ordnungshüter auf einem gepflasterten Untergrund gestanden hatten, was auf einen Hof oder ein ähnliches Gelände hindeutete. Zudem hatte es keiner genialischen Kombinationskraft bedurft, um zu erkennen, dass es sich bei der Konstruktion mit den Gasflaschen eher um ein fix zusammengeschustertes Provisorium handelte. Daher hatte man bestimmt versucht, die Wegstrecke der Leitungen möglichst kurz zu halten beziehungsweise sie direkt durch den nächstbesten, stillgelegten Kaminschacht verlegt.
Die Halle musste also irgendwo unter meinen Füßen sein, jedenfalls nicht sehr weit entfernt, vielleicht in einem modernen Anbau. Ich warf den Kopf wild hin und her und hielt Ausschau nach einer abwärts führenden Treppe. Doch wieder verwirrten mich die unglaublichen Dimensionen des Hauses. Wie in einem Spiegelkabinett glichen die beiden Seiten des Flurs wie ein Ei dem anderen. Von der sich schier unendlichhinstreckendenAlice-im-Wunderland-Architektur ging eine unübersehbare Anzahl von Türen und Querfluren ab. Alles war mit scharlachrotem Teppichboden ausgelegt und dämmerig von antiken Wandlüstern beleuchtet. In anderen Flügeln bot sich das gleiche Bild, nur spiegelverkehrt. Der Architekt, der dieses Monstrum verbockt hatte, war hoffentlich nach seinem Tod in eine ebensolche Hölle geraten, auf dass er darin für alle Ewigkeiten nach dem Ausgang suchen musste.
Ich konnte keine sinnvolle Entscheidung fällen, also rannte ich kopflos in irgendeine Richtung los. In meiner Aufregung wusste ich nicht einmal, ob in die rechte oder linke. Wichtig war nur, dass ich das Gefühl für die Entfernung zwischen meinen Startpunkt und der zurückgelegten Strecke nicht verlor.
Denn nach meiner Hypothese musste sich die Halle ja ganz in der Nähe befinden. Meine Pfoten trugen mich wie der Blitz davon, und obwohl ich dabei keuchte und hechelte wie ein Kamel bei der Durchquerung der Sahara, empfand ich es als einen großen Fortschritt, dass von den zurückliegenden Folterschmerzen fast nichts mehr zu spüren war.
Da, eine Treppe! Und was für eine. Sie führte in eine von antiken Säulen gerahmte, aulaartige Halle, in die alle Flure mündeten. Sie war so stilvoll mit Statuen und Reliefs drapiert, dass Schloss Neuschwanstein ein Witz dagegen war. Wie die Schlangen auf dem Haupt der Medusa wanden sich von überall kommende, ausladende Marmortreppen mit verschwenderischem Schwung auf- und abwärts, gerade so, als müsse jeden Moment Sisi eine der Stufen heruntergerauscht kommen. Ich hatte keine Zeit, die Pracht zu genießen, und stürzte die Treppen hinunter. Ein Stock tiefer erwartete mich eine Kopie der Halle darüber, allerdings registrierte ich aus den Augenwinkeln ein großes Fenster gleich neben einem Geländer. Ich machte einen Satz auf die Fensterbank und blickte hinunter. Volltreffer! Noch ein Stock tiefer, im Erdgeschossbereich schloss sich ein rechteckiger Zweckbau mit Glasdach an das Hauptgebäude an. Der Kasten leuchtete in der Finsternis wie ein Naturkristall in einer bodenlosen Grotte. Wieder sauste ich die Treppen
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