Felipolis - Ein Felidae-Roman
konnte ihre Pläne nicht mehr durchkreuzen, da der Betrug schon über die Bühne gegangen war. Und falls sie Sancta je als Geisel genommen hatten, so war sie nun wieder auf freiem Fuß. Aber ich hatte einen anderen Verdacht, ein Verdacht, der mich mehr in Panik versetzte als das Bild einer gefangenen und in einem Käfig vor Angst zitternden Sancta. Mit der Absicht, den Fall auf eigene Pfote zu lösen, hatte sie sich auf den Weg gemacht. Doch auf diesem Weg war ihr vermutlich etwas höchst Überraschendes widerfahren. Nicht sie hatte den Fall in den Griff gekriegt, sondern der Fall sie. Will sagen, Sancta war wie alle anderen längst Herzls und Dominos Überzeugungskraft und der Idee von Felipolis erlegen, um nicht zu sagen verfallen. Wenn mein Verdacht stimmte, dann hatte sie eine Gehirnwäsche verpasst bekommen. In sechzehn Stunden würden sie alle schon in Felipolis sein, hatte Domino gesagt. Also würde Sancta mit ihnen gehen.
Zurückzukehren und mich auf die Spur der beiden zu begeben, erschien mir sinnlos. Ihr Ziel war sicher eine Art Vollversammlung, in der sämtliche Artgenossen, die von der Sache erfahren hatten, zum letzten Mal auf den großen Traum eingeschworen wurden. Und dann? Was würde dann kommen? Eine zwanzig Kilometer lange Prozession von Spitzohren vom Kantsky -Gelände bis zum Flughafen?
Unversehens merkte ich, dass ich mich wieder vor der Luke zum Kamin befand. Ich durchquerte sie vorsichtig, sprang leise in den Kamin und lugte durch die verschnörkelte Feuerblende in den Saal. Das Bild darin hatte sich in der Zwischenzeit ziemlich geändert. Die greisen Milliardäre waren
samt und sonders abgezogen und hatten auf dem ausgedehnten Tischrechteck nichts weiter als ausgetrunkene Champagnerflaschen und Gläser hinterlassen. Nur einer war immer noch an seinem angestammten Platz. Marc Forster stand mit dem Rücken zu mir neben dem Podest und studierte völlig vertieft etwas in seinem Notebook. Vermutlich zählte er gerade zusammen, was er durch seine Supershow alles eingesackt hatte. Ich erwartete jeden Moment ein ohrenbetäubendes Yippie!
Ich fand mich wieder in der gleichen Situation wie vorhin, als Domino mich im Kamin überrascht hatte. Ich konnte weder vor noch zurück, war erneut ein Gefangener in diesem Backsteinkasten. Der Versuch, vorsichtig hinauszuschleichen und mich an den Beinen des großen Zampanos vorbei zu der offen stehenden Tür zu stehlen, wäre glatter Selbstmord. Dazu hatte ich zu viel Respekt vor Forsters mörderischen Instinkten, kannte ich sie doch aus erster Pfote.
Noch während ich mich allmählich mit dem Gedanken anfreundete, wieder in den Schacht zurückzuhechten und wohl oder übel Dominos und Herzls Spuren zu folgen, geschah etwas Unerwartetes. Forster klappte plötzlich sein Notebook zu, durchschritt an dem riesigen Tisch vorbei den Raum, knipste den gigantischen Kronleuchter aus und verließ den Saal.
Nun wäre es ein Leichtes gewesen, mich davonzumachen, zumal die Tür immer noch offen stand. Aber das war meinem inneren Schweinehund, der sich krankhafte Neugier nannte, nun auch wieder nicht recht. Irgendetwas in mir sagte, dass ich dem Kerl folgen sollte. Warum eigentlich? Da hielt sich der Schweinehund natürlich wie immer vornehm
zurück und verwies nur augenzwinkernd auf den zu erwartenden Thrill. Aber es gab auch sehr wohl einen rationalen Grund, der dafür sprach, meinen Beinahe-Mörder aus sicherer Entfernung zu beschatten. Ich hatte nämlich den Verdacht, dass Forster nach dem krönenden Abschluss seiner Machenschaften zur Verwirklichung seines eigentlichen Ziels schreiten wollte, zum final cut sozusagen. Was es damit auf sich hatte, war mir immer noch ein Rätsel. Doch ich wollte Garfield heißen, wenn es nicht mit den von überall herbeigeströmten und jetzt irgendwo im Gebäude befindlichen Artgenossen zusammenhing.
Ich tapste um die Feuerblende herum, stieg aus dem Kamin und schlich durch die Finsternis eiligst zur Tür. Dabei machte ich mir ein paar warme Gedanken darüber, dass ich nach all dem Schweinegalopp vielleicht tatsächlich einen ausgedehnten Urlaub auf Felipolis buchen sollte.
16
Marc Forster war kaum mehr als eine undeutliche Silhouette, von der ich lediglich die schmale Rückenansicht anhand von sich bewegenden Konturen wie in einem unterbelichteten Film wahrnehmen konnte. Ich hing aus sehr weiter Distanz an seinen Fersen, panisch darauf bedacht, ihn ja nicht aus den Augen zu verlieren. Wie bei meinem ersten Besuch im Gebäude wandelte
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