Felipolis - Ein Felidae-Roman
Dutzenden verschlossener Türen führten. Irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, dass das Gebäude nach einer dieser schrägen Grafiken von M. C. Escher angefertigt worden war. Und alles war komplett menschenleer.
Auf dem letzten Treppenpodest, welches eine Windung um zweihundertsiebzig Grad und damit eine Art Zwischengeschoss zum dritten Stock darstellte, erblickte ich schließlich den Tatort. Das fast vollständig zerbrochene Fenster mit der kunstvollen Glasmalerei, von der nur mehr bunte Splitter am Rahmen zeugten, gab einen grausigen Blick nach unten frei. Der abgestürzte Mann lag immer noch mit dem Gesicht auf dem Edelschlitten, umringt von der aufgeregten Edelmenschenschar. Selbst aus dieser Höhe konnte man die Blutrinnsale erkennen, die über die ganze Kühlerhaube liefen und dann auf den Kies plätscherten. Aus weiter Ferne war Sirenengeheul zu vernehmen. Jemand hatte offenkundig endlich die Polizei verständigt.
Ich schaute mich kurz um. Es gab kein Anzeichen eines Handgemenges, geschweige denn eines Kampfes auf Leben
und Tod. Am Feinputz der Wände verliefen keine Kratzspuren von Nägeln, welche von erbitterter Abwehr zeugten, der rote Läufer unter meinen Pfoten lag faltenlos gespannt wie unter der Mangel, ja nicht einmal eine einzige Schweißperle war darauf zu riechen. Man hätte glauben können, der arme Kerl hätte sich eine sehr extravagante Art von Selbstmord ausgesucht. Mein Blick schweifte zu der Treppe, die zum dritten Stockwerk emporführte. Diese Stufen war der Mann heruntergekommen, vermutlich nicht ahnend, dass ihm dabei jemand heimlich gefolgt war. Wieso war er hier oben gewesen? Und dann war da natürlich die noch dringlichere Frage, um wen es sich bei dem Toten überhaupt gehandelt hatte. Jedenfalls war er gerade die Treppe heruntergestiegen, vielleicht hatte er sich sogar mit einer Hand am Geländer festgehalten, als der Mörder urplötzlich hinter seinem Rücken aufgetaucht sein musste und ihm einen brachialen Schubs verpasst hatte. Das Opfer hatte das Gleichgewicht verloren, war über die eigenen Füße gestolpert und mit ausgestreckten Armen gegen die Fensterscheibe gestürzt; die war mit Getöse zerbrochen, und der Mann war hinunter in den Hof gesegelt.
Ja, einen simpleren Mord musste man lange suchen. Allerdings gestalteten sich Spekulationen über die vom Mörder gewählte Vorgehensweise weniger simpel. Er hatte in Kauf genommen, dass aller Welt die Ähnlichkeit zwischen der Todesursache seines Opfers und der von Adelheid Kant sofort ins Auge sprang. Sie war die Treppe hinuntergestürzt; der unbekannte Tote zum Fenster hinaus. Wenn der Blitz zweimal an derselben Stelle einschlägt, wird man hellhörig. Die Polizei würde nun sicher den Tod der Adelheid Kant erneut aufrollen,
um einen Zusammenhang zwischen beiden Todesfällen herzustellen. Zumal großes Geld auf dem Spiel stand. Warum hatte sich der Unhold nicht irgendeine andere Mordmethode ausgesucht? War er so dumm, dass er sich nicht vorstellen konnte, wie schnell die Polizei solcherlei Schlussfolgerungen ziehen würde? Wohl kaum.
Außerdem hätte er sich an fünf Fingern abzählen können, dass man das Gebäude, vornehmlich das dritte Stockwerk sofort umstellen und ihm somit jeden Fluchtweg abschneiden würde. Aber vielleicht kannte er ja einen Geheimausgang. Und vielleicht stand er auch schon längst dort unten unter den vielen entsetzten Möchtegernmilliardären und mimte den Entsetzten. Wie man die Sache auch drehte und wendete, die schreiende Primitivität, mit der dieser Mord ausgeführt worden war, ließ viele Fragen offen. Mist. Innerhalb einer Stunde steckte ich schon wieder in einem Fall, der zwar meine krankhafte Neugier optimal befriedigte, aber allen Sommerfreuden Ade sagte. Ehrlich gesagt, hätte ich mich mittlerweile selbst in den Schauern der Impulsregner wohler gefühlt.
Schließlich erreichte ich den dritten Stock, über dem sich nur noch der Dachboden befinden konnte. Nur, wie dort hingelangen? Ziellos schlich ich durch die vielen Korridore, den Blick unablässig nach oben gerichtet auf der Suche nach einer aufwärts führenden Treppe oder einer Dachbodenluke. Die Tour gestaltete sich recht zeitaufwendig, war doch ein Spiegelkabinett ein Witz gegen diese Lokalität. Wie ein Ei dem anderen glichen sich die saalbreiten Gänge und Dielen, welche zu immer noch mehr ineinander verschlungenen Räumlichkeiten führten. Wie in einem Fünf-Sterne-Hotel
wandelte ich über exquisiten Teppichboden mit
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