Felipolis - Ein Felidae-Roman
vergleichen mit der für den Normalsterblichen in der Werbung als hochwertig, nobel, vor allem aber total angesagt und deswegen besonders teuer angepriesenen Kleidung, handelte es sich bei ihrer Garderobe um die erst recht unerschwingliche, also maßgeschneiderte Ware. Die Männer im schwarzen oder karierten Kaschmirseidengemisch, meist mit aus Krägen brodelnden affigen Schals oder Edelkrawatten, die bespickt waren mit heraldischen Motiven. Die Damen in pastellfarbenen
oder businesslike grauen Kostümen, welche zwar ein altmodisches Flair verbreiteten, den Inhalt jedoch umso verlockender erscheinen ließen. Hochkarätiger Schmuck blitzte an ihren Hälsen und Ohren. Auf den Häuptern dominierten männlicherseits akkurate Seitenscheitel und weiblicherseits Dutts und Bubiköpfe. Man merkte es der Klientel schon bei einem flüchtigen Blick an, dass sie in einer Welt lebte, in der Geld eine untergeordnete Rolle spielte - ausgenommen natürlich ein Haufen Geld. Und eben jener flüchtige Blick verriet auch, was diesen Glückskindern gerade durch den Kopf ging und sie so in Panik versetzte. Nämlich, dass der zweite Todessturz ein Sturz zu viel war, um die Ereignisse nicht mit dem Haufen Geld in Verbindung zu bringen. Und dass der erste Sturz womöglich doch kein Unfall gewesen war.
Uns - ja »uns«, denn in meinem desolaten Zustand verstand ich mich inzwischen als ein Teil dieses bekloppten Kollektivs - ging es nicht besser. Auch wir waren derart verdattert angesichts des aus allen Kopflöchern blutenden Mannes auf der Kühlerhaube, dass wir quasi in einer Übersprunghandlung alle davonrannten. Allerdings nicht weg vom Ort des Grauens, sondern zu ihm hin. Herzl, Josef und seine Kommunistentruppe, die drei Killer-Orientalen und meine Wenigkeit wetzten über den Kieshof geradewegs zu der Freitreppe des Mittelportals mit den dorischen Säulen. Wobei wir darauf spekulierten, dass bei dem ganzen Durcheinander kein Mensch unser Eindringen ins Gebäude bemerken würde. Im Gegensatz zu meinen Mitläufern wusste allerdings ich allein, wo sich Domino aufhielt. Blaubart hatte es mir gesagt.
Eben noch rannten wir Seite an Seite, doch sobald wir durch die offenen Pforten in das Innere des Palastes gelangt
waren, trennten sich unsere Wege. Ein jeder verlor sich in eine andere Richtung. Gott sei Dank! Allein auf mich gestellt, brachte ich immer noch die beste Leistung. Von dem mindestens das Volumen einer Doppelhaushälfte betragenden Entree, das von einem Kronleuchter von der Größe eines Steven-Spielberg-UFOs beleuchtet wurde, gingen etliche Fluchten und ebenso viele Treppen ab. Es war der Knotenpunkt für Galerien mit verschnörkeltem Geländer und kafkaesk verschachtelter Korridore. Alles mit exquisiten Holzvertäfelungen verkleidet und mit antiken Beistelltischchen ausgestattet, auf denen Jugendstil-Leuchten angenehm dämmerig glühten.
An einer Wand prunkte ein riesenhaftes Ölgemälde mit dem Abbild von Adelheid Kant. Die wie eine Untote aus der Geisterbahn wirkende, spektakulär runzelige Alte trug ein weißes Rüschenkleid, das perfekt mit ihrer offenen schlohweißen Haarpracht korrespondierte, und grinste den Betrachter unergründlich an. Sie hatte ihre Hände gleich Waagschalen über ihre zwei Söhne ausgebreitet, zwei identisch aussehenden Herren gesetzten Alters mit Vorderglatzen und verkniffenem Sparkassenfilialdirektor-Ausdruck im Gesicht. Es waren Zwillinge. Von Blaubart wusste ich, dass auch sie längst das Zeitliche gesegnet hatten. In welchem Alter, unter welchen Umständen und wann genau, dies blieb ein Rätsel, welches zu lösen mich allerdings im Augenblick herzlich wenig interessierte. Ich hatte mich um eine Lebende zu kümmern. Bevor es jedoch so weit kommen sollte, registrierte ich noch ein unscheinbares Detail im Raum, das einem unbedarften Eindringling wohl entgangen wäre. Aus einem Deckenwinkel wurde ich von einer klitzekleinen Überwachungskamera
beobachtet. Das Ding, neben dessen Objektiv ständig ein rotes Lämpchen blinkte, war offenbar mit einem Bewegungssensor ausgestattet und schwenkte in Richtung meiner Schritte. Na, meinetwegen.
Wie der Blitz eilte ich die nächstbeste Treppe, ausgelegt mit scharlachroten Läufern, hoch. Ich wollte zum Dachboden, in dem sich laut Blaubart angeblich die Verantwortliche für die ganze Konfusion verschanzt haben sollte. Bei jedem bewältigten Stockwerk ergab sich rundherum immer das gleiche Bild: labyrinthische Korridore, wohin das Auge reichte, die wiederum zu
Weitere Kostenlose Bücher