Felipolis - Ein Felidae-Roman
Aufklärung des Falles hatte.«
»Ach, lieber Sohn, in meinem Geist blitzt es schon länger nicht mehr so dolle, erst recht nicht nach allem, was vorgefallen ist. Vielleicht liegt es auch am Alter. Kleiner Tipp: Versuche nie, alt zu werden.«
»Du meinst, ich soll immer jung bleiben?«
»Nein. Jung bleiben kann jeder Depp, selbst wenn er auf Krücken hinkt und aus der Schnabeltasse trinken muss. Schau dir Archie an. Obwohl er sich gebärdet wie ein Jugendlicher, auf Facebook und MySpace ist und sich keine
Jacke ohne Kapuze überstülpt, ist er doch letzten Endes ein alter Trottel. In Wahrheit ist er gealtert, weil er das Alter an sich herangelassen hat. Das geschieht dadurch am effektivsten, indem man blindlings die Insignien der Jugend übernimmt, ohne etwas über das geheime Leben der wirklich Jungen zu wissen. Nicht altern heißt aber, immer der zu bleiben, der man war. Mir ist das allerdings auch nicht so recht gelungen. Ich will aber trotzdem mal versuchen, ob ich mir auf all die Ungereimtheiten einen Reim machen kann …«
Ich hockte mich auf die Hinterbeine, atmete tief durch und versuchte, meine Gedanken zu sortieren. Die Schmerzen waren weitgehend verklungen, wenn auch ein Brennen immer noch unterschwellig vorhanden war. Zu meinem Erstaunen stellte ich jetzt fest, dass die zurückliegende, anstrengende Flucht meinen angeschlagenen Gliedern und Innereien als eine Art Turbo-Rehabilitations-Maßnahme gedient hatte. Ich war gezwungen gewesen, ins kalte Wasser zu springen und meinen verletzten Körper bis an seine Grenzen zu treiben. Was mich, wie sich nun herausstellte, aus der Schockund Schmerzstarre gelöst hatte. Langsam konnte ich sogar den kräuterhaltigen Duft der Sommernacht ein bisschen genießen und meine Sehnerven im cremigen Silberlicht des Mondes baden.
»Also, da ist eine liebenswerte alte Dame, die ihre beiden Söhne bei einem Autounfall verliert«, überlegte ich laut. »Manche sagen, es war ein Attentat. Aber was spielt es für eine liebende Mutter für eine Rolle, wie und warum die eigenen Kinder umgekommen sind? Zudem handelte es sich bei den verstorbenen Söhnen um die einzigen Vertrauten, die ihr Lebenswerk hätten fortführen sollen. Ja, auch
Milliardärinnen können bitterlich weinen. Adelheid vergräbt sich in ihrem Kummer, ist untröstlich, zumal sie auch schon hochbetagt ist, sodass es für sie keinen Neuanfang geben kann. Vielleicht vernachlässigt sie dadurch sogar zum ersten Mal die Herkulesaufgabe, einen Weltkonzern zu lenken. Noch dazu einen Weltkonzern, der sich in einem kritischen, um nicht zu sagen in einem die gesamte Menschheit betreffenden Konflikt mit der Europäischen Union befindet.«
»Da kommen ihr Nahestehende auf eine Superidee«, unterbrach mich Junior. »Sie schenken ihrer Chefin ein putziges Haustier, auf dass es die Leere in ihrem Herzen füllen möge.« Ich fragte mich ernsthaft, weshalb ich diese Durchblicker-Show abzog, wenn Junior, der mir eh immer einen Schritt voraus war, mir nur die Pointen verdarb. Im Hintergrund hörte ich Blaubart mit der Inbrunst eines Walrosses gähnen. Wenn es zu diffizil wurde, schaltete er auf Durchzug. Sein Metier war die Aktion, möglichst die grobe Aktion.
»Genau.« Meine Enttäuschung über die geplatzte Überraschung ließ ich mir mit keiner Miene anmerken. »Und natürlich ist es nicht irgendein Haustier, sondern eins, das mit seiner edlen Rasse und dem ganzen Pipapo Adelheids Stande entspricht. Geld spielt ja keine Rolle. Und siehe da, die mit dem Geschenk verbundenen Hoffnungen erfüllen sich auf ganzer Linie. Die einst von Trauer zerschmetterte alte Dame blüht durch das Zusammenleben mit Domino wieder richtig auf. All ihre Liebe und Zärtlichkeit lässt sie diesem kleinen Tier angedeihen, und die vielen harten Schicksalsschläge und die Strapazen ihres Geschäfts schmelzen bei seinem süßen
Anblick dahin wie Schneekristalle auf einer heißen Herdplatte. »Übertragung« nennen Psychologen dieses etwas bedenkliche Verhalten. Dann wird die Sache allerdings zur Besessenheit. Adelheid sieht in Domino mehr, als sie in Wahrheit ist. Ihr ganzes Denken kreist nur noch um sie, und die Glückshormone fließen nur noch in Momenten der Zweisamkeit mit ihr. Vielleicht lässt auch das hohe Alter ihren sonst so klaren Verstand allmählich Slalom fahren. Adelheid will ihrem geliebten Haustier noch näher sein, sie möchte Domino voll und ganz verstehen, exakt so, wie man seine eigene Spezies versteht. Deshalb muss ein Dolmetscher
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