Felipolis - Ein Felidae-Roman
minimale Kamerabewegung war das Startzeichen für den schnurrhaarigen Mörder gewesen. Er preschte aus irgendeinem dunklen Winkel hervor, rannte von hinten auf den Anwalt zu und schmiss sich zwischen seine Füße, was dessen hilfloses Stolpern und dann den tödlichen Sturz zur Folge hatte. Ich war mir sicher, dass es bei Adelheid und Büttel nicht anders gewesen war.
Ich drehte mich um und zuckelte den finsteren Schacht wieder zurück in Richtung des Kamins. Weder wusste ich, was mich dort erwartete, noch wie es weitergehen sollte. Doch das war mir momentan so gleichgültig wie die mittelalterliche Frage, ob sich die Sonne um die Erde dreht oder umgekehrt. Ich war in heutige Fragen vertieft. Die Antworten schossen aus mir mit der Urgewalt eines Vulkanausbruchs hervor. Kurz, ich hatte nun »einen guten Lauf«, wie es Junior in seinem jugendlichen Neusprech ausgedrückt hätte.
Die Sorgfalt gebot es, zunächst bei dem schnurrhaarigen Mörder zu verweilen. Eieiei, wer eignete sich für diesen Part wohl am besten? Bei unserem Gespräch hatte Junior noch locker bemerkt, wie seltsam es doch wäre, dass Domino nicht mitbekommen haben sollte, in welcher Funktion Forster für Adelheid arbeitete. Und gerade eben hatte Domino selbst zugegeben, dass sie es natürlich schon immer gewusst habe. Der Zoologe und das sensible Spitzohr, welches wie der Affe Koko mit den Menschen zu kommunizieren in der Lage war. Oder umgekehrt. Wer wusste das schon so genau? Warum also eine Erkenntnis gegen alle harten Fakten beschönigen und verdrängen, wenn einem die Wahrheit geradezu ins Gesicht sprang? Als Domino zu Kantsky gekommen war und Adelheid daraufhin den genialen Tierflüsterer ins Haus bestellt hatte, musste zwischen den beiden eine, wie man so sagt, Freundschaft fürs Leben entstanden sein. Allerdings aus ganz unterschiedlichen Motiven heraus.
Ich nahm an, beiden ging es um die Megakohle. Allerdings erst in der Endphase. Vorher näherte man sich einander an, feilte an der Kommunikationstechnik, erfreute sich daran. Auch Adelheid hatte wohl großen Gefallen an der Sache gefunden, bis der ganze Hokuspokus für die greise Konzernchefin das Wichtigste in ihrem Leben wurde. Sicherlich hatte diese Art der Verständigung nichts mit verbaler Kommunikation, Gebärdensprache und dergleichen gemein. Es funktionierte über Einfühlungsvermögen, Körpersignale und durch Versuch und Irrtum. Schließlich war Forster nicht umsonst jahrelang bei diesem Affen in die Lehre gegangen.
Wer von den beiden als Erster auf die Idee gekommen war, Adelheid so zu beeinflussen, dass sie schließlich ihr Vermögen
Domino vererbte, war schwer zu sagen. Es spielte auch keine große Rolle. Wichtig waren allein die jeweiligen Motive, und zwar bei allen drei Beteiligten. Was Adelheid betraf, fürchtete sie wohl tatsächlich, dass im Falle des Übergangs des Erbes auf die entfernten Verwandten Kantsky stückchenweise zerschlagen und verscherbelt und dann vollends in die Hände von Politikern und Militärs geraten würde. Oder vielleicht hatte Forster ihr dieses Schreckensszenario auch nur eingeredet. Und die vermeintlich einzige Lösung für das Problem gleich mit.
Warum Domino sich auf diesen Wahnsinn eingelassen hatte, war dagegen nicht so einfach zu beantworten. Die Mutmaßung lag nahe, dass auch hier Forster seine Einflüsterungsgabe dazu benutzt hatte, sie als Marionette für seine eigenen Interessen tanzen zu lassen. Er hatte sie mit dem Felipolis-Quatsch verrückt gemacht und sie nach und nach zu einer Kämpferin in Sachen Staatsgründung geformt. Ja, so musste es gewesen sein. Vor allem war es so bequem, das zu glauben: Forster, der einzige Bösewicht …
Wirklich? Bei Lichte besehen, ergab diese Hypothese überhaupt keinen Sinn. Die Vorstellung, dass ein Mensch einem Spitzohr so lange etwas von den Vorteilen eines eigenen Spitzohren-Staates vorfaselte, bis aus diesem ein glühender Anhänger einer Blut-und-Boden-Ideologie geworden war, mutete sogar höchst lachhaft an.
Was hatte Junior bei seiner exzellenten Recherche über Domino herausgefunden? Sie stammte aus Wien, aus einer erlesenen, eigens für den Verkauf an reiche Tierliebhaber gezüchteten Linie. Irrte ich mich, oder stammte nach seinem Idiom zu urteilen noch jemand, mit dem ich inzwischen eine
herzliche Bekanntschaft pflegte, aus Wien? Herzl, der rund um die Welt von Konferenz zu Konferenz eilende, selbst ernannte Professor! Was waren das überhaupt für Konferenzen? »Eine lockere Gemeinschaft
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