Felipolis - Ein Felidae-Roman
pastellenen Harmonie? Ganz einfach: ein paar Leichen! Wer hatte die drei Menschen in den tödlichen Abgrund befördert? Und wer hatte Clint & Co gegen mich und die Proletarische Union gehetzt? Es bot sich
an, die Rolle des Bösewichts mit Marc Forster oder dem eben erschienenen Dunkelmann zu besetzen. Doch offensichtlich handelte es sich bei Domino mitnichten um das wegen eines irrsinnigen Erbes mit dem Tode bedrohte Opfer, sondern um eine sehr aktive Spielerin in diesem miesen Spiel. Dadurch stellte sich die Sachlage etwas komplizierter dar. Vor meinem geistigen Auge begann sich der Wald der Ungereimtheiten allmählich zu lichten. Ja, endlich reihte sich eine Schlussfolgerung logisch an die nächste, und eins und eins ergab zwei.
Adelheid, der Staranwalt und Lars Büttel waren alle unversehens über etwas gestolpert und dadurch in den Tod gestürzt. Dreimal hintereinander konnte man das nicht mehr dem Zufall in die Schuhe schieben. Doch hatte ich auf der Videoaufzeichnung selber gesehen, dass zumindest im Falle des Staranwalts tatsächlich niemand anderer als das Opfer selbst die Schuld an seinem Treppensturz trug.
Aber hatte es sich tatsächlich so verhalten? Ein irritierendes Detail kam mir wieder in den Sinn. Bei allen Aufnahmen hatte die Kamera immer kurz vor dem Unglück millimeterweit nach oben geschwenkt, jedenfalls immer so viel, dass die Unterschenkel des Opfers abgeschnitten wurden und man es nur oberhalb der Waden sehen konnte. Damals hatte ich mir diese seltsame Ausschnittverlagerung mit den übernervösen Bewegungssensoren der Kameras erklärt, deren Fokussierungsprogramm sich nach unergründlichen Gesetzmäßigkeiten richten mochte. Wahrscheinlich reichte schon ein Zucken des Beobachtungsobjekts aus, um einen Zoom oder Schwenk auszulösen, hatte ich vermutet. Doch ich hatte falsch gedacht. Es war sehr wohl eine manipulierende Bildregie im Spiel gewesen. Und ein echter Mörder!
An den Knöpfen und Schaltern der Bildregie hatte Marc Forster gesessen. Ich hatte es mit eigenen Augen gesehen, als ich ihn in Adelheids Büro vor den Bildschirmen antraf. Er hatte nicht zufällig da gesessen, sondern aus einem guten Grund. In einem Konzerngebäude von solch internationaler sowie militärischer Bedeutung wie Kantsky war auch der letzte Quadratmeter videoüberwacht. Von jeder im Gebäude stattfindenden Bewegung existierte eine Aufzeichnung. Wenn nicht, hätte die Polizei Verdacht geschöpft. Wie konnte man also trotz dieser Totalüberwachung ungesehen einen Mord begehen? Ganz simpel: indem man sich mit einem ungewöhnlichen Mordkomplizen verbündete.
Ein ungewöhnlicher Mörder jedoch wandte sicherlich auch eine ungewöhnliche Mordmethode an. Nur welche? Ich überlegte … Und kam zu der einzig möglichen und einfachsten Lösung. Diejenigen, die für uns die Futterdosen öffnen, die Dosenöffner also, kennen das: Die Vertreter der Felidae haben die unangenehme und zu einem Unfall geradezu einladende Eigenschaft, ihnen beim Gehen bisweilen gern zwischen die Füße zu laufen. So jedenfalls hätte es ein Mensch ausgedrückt, ohne genau zu wissen, was es mit diesem ärgerlichen Verhalten auf sich hat. Dahinter steckt in Wahrheit die verblüffend simple Absicht, den Gang des Zweibeiners in eine gewünschte Richtung, in der Regel zum Ort des Futterkredenzens zu lenken. Die Gefahr, dabei zertreten zu werden, besteht für unsereins kaum. Ist doch der solcherlei Gelenkte vollauf damit beschäftigt, nicht zu stolpern und zu stürzen. Aber manchmal stolpert er über den Spontanlenker eben doch und stürzt.
Ein durchtriebener Artgenosse hatte demnach den Trick
des Zwischen-die-Füße-Laufens sowohl bei Adelheid, dem Staranwalt und auch bei Lars Büttel angewandt und sie so zum Stürzen gebracht. Und stets in einer fiebrigen Stresssituation, in denen die Opfer mit den Gedanken ganz woanders waren. Bei Büttel bedurfte es nicht einmal fintenreicher Bildregie, um den Vorfall zu vertuschen, weil oben auf dem Dach keine Kameras installiert waren. Doch bei Adelheid und dem Anwalt hatte sich Forster so richtig ins Zeug legen müssen. Beispielhaft im Falle des Staranwalts. Als dieser fluchend den Flur entlangkam, war außer ihm nichts und niemand zu sehen gewesen. Erst als er die nach unten führende Treppe erreichte, setzte die auf den ersten Blick unscheinbare Ausschnittverlagerung der Kameras ein. Die Unterschenkel des Opfers wurden abgeschnitten, sodass man nicht mehr sehen konnte, was sich darunter abspielte. Diese
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