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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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häufiger erschienen.
    Wir lehnten uns zurück und betrachteten die Früchte unserer Arbeit. Die Stille war die des Wartens auf Offenbarungen, die nicht kommen, und zwar in hellen Scharen.
    »Sie geistert im ganzen Haus herum«, sagte Cheryl.
    »Ja«, stimmte ich ihr tonlos zu. »Das tut sie.«
    »Nein.« Pens Stimme war etwas schwerfällig, aber in ihr schwang uneingeschränkte Gewissheit mit. Wir sahen sie fragend an.
    Sie zuckte die Achseln. »Sie läuft an einer Schleppleine.«
    »Erklär mal«, forderte ich sie auf.
    Pen beugte sich über die Baupläne. »Hier«, sagte sie, »angenommen, dieses Kreuz hier wäre ein wenig zur Seite verschoben – ich meine, angenommen, sie befand sich in der Ecke dieses Raums und nicht in der Mitte – und dieses Kreuz dort. Sie könnte in dem Gang auch an einer zehn Meter weiter entfernten Stelle erschienen sein.«
    Sie radierte zwei Kreuze aus, während sie sprach, und trug zwei andere ein. Ein drittes verschob sie einen Zentimeter näher zu der Gruppe, die schon vorhanden war. Sie sah mich gespannt an.
    »Gerade Bahnen«, sagte ich. »Sie bewegt sich auf geraden Bahnen.«
    Pen schüttelte den Kopf. »Sie sind nicht gerade. Sie sind gekrümmt!«
    Ich begann, ein Kribbeln im Nacken zu spüren, als sich meine Haare aufstellten. Nicht von einer geisterhaften Erscheinung, sondern von dem zunehmend stärker werdenden, unausweichlichen Gespür von etwas Verborgenem, das nach und nach deutlicher, offensichtlicher wurde.
    »Heilige Scheiße«, murmelte ich.
    Cheryl sah von einem zum anderen. »Wäre jemand so nett, mir die Neuigkeit auch zu verraten?«
    Meine Augen sprangen vorwärts und zurück, vom Keller zum Erdgeschoss, zum ersten Stock, zum zweiten, zum dritten.
    »Gut«, sagte ich, »ich bin ein Idiot. Ich habe kein gutes räumliches Vorstellungsvermögen. Es ist wie – die Milchstraße.«
    »Wie was?«, fragte Cheryl. Aber Pen nickte aufgeregt.
    »Die Milchstraße. Wir sehen sie als Linie am Himmel, weil wir sie aus dem falschen Winkel beobachten. Aber sie ist keine Linie, sondern eine Scheibe, und dies sind auch keine Linien oder Bahnen. Fügt man die vertikale Dimension hinzu, ist es sofort zu erkennen. Es ist …«
    »… eine Schleppleine«, beendete Pen meinen Satz.
    »Ich werde gleich sauer«, warnte Cheryl.
    Ich legte die Pläne aufeinander und hielt sie hoch, um es ihr zu zeigen. Sie betrachtete sie skeptisch. Nun, da ich erkannt hatte, worauf Pen hinauswollte, konnte ich nicht glauben, dass es Cheryl völlig entging.
    »Sieh doch – in jedem Stockwerk erscheint sie an vielen Orten, aber insgesamt ergeben sie in etwa einen Kreis. Einen großen Kreis im Keller, dann einen etwas kleineren im Erdgeschoss. Noch kleiner im ersten Stock, aber immer noch in etwa mit dem gleichen Mittelpunkt. Im zweiten Stock sind es nur wenige Orte, alle dicht beisammen. Aber jetzt stell dir vor, du hättest die Kreuze in einem dreidimensionalen Modell eingezeichnet, was kriegst du am Ende?«
    »Kopfschmerzen«, sagte Cheryl bitter.
    »Du kriegst eine hohle Halbkugel.«
    »Je höher sie sich im Gebäude befand«, sagte ich und wies auf die Pläne, »desto weniger horizontale Bewegungsfreiheit hatte sie. Verstehst du nicht? Stell dir einen Hund an der Leine vor. Wenn sein Herrchen ihn mit einem Stock schlägt, was tut er dann?«
    »Er rennt weg«, sagte Cheryl. »Ich glaube, jetzt macht man sich über mich lustig.«
    »Nein, das tut niemand. Stell es dir vor! Der Hund wird wegrennen, so weit es die Leine erlaubt, und dann rennt er weiter, aber er kann sich nur im Kreis bewegen, richtig? In einem Kreis mit dem Herrchen – und dem Stock – im Mittelpunkt.«
    »Ja.«
    »Aber stell dir vor, es wäre ein Weltraumhund! Mit Jetantrieb auf dem Rücken. Er würde bis zum Ende der Leine flüchten, aber es wäre kein Kreis mehr – weil der Hund sich auch nach oben und unten bewegen kann und natürlich auch im Kreis …«
    »Dann wäre es eine Kugel.«
    »Genau!«
    Cheryl sah wieder auf die aufeinandergelegten Pläne. Die schwarzen Kreuze schienen deutlich durch: konzentrische Kreise, die kleiner wurden, je höher sie im Gebäude aufstiegen.
    »Es gibt einen festen Punkt«, sagte ich. »Eine Art Fessel – aber dort spukt sie nicht. Sie entfernt sich so weit davon wie möglich. Sie hält sich am Ende einer Leine.«
    »Ja, und der Mann mit dem Stock …«
    »Ist in der Mitte. An dem Ort, den sie nicht aufsuchen will. An dem Ort, wo man sie nie gesehen hat.«
    Cheryl nahm mir die Pläne weg und legte sie

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