Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
Sonderangebot gemacht. Das Fesseln eines Geistes war allemal schwerer als ein direkter Exorzismus.
Ganz gleich, wie die Antwort lautete, eine Erklärung hatte ich jetzt. Deshalb war es für mich so schwierig gewesen, den Geist zu fassen zu kriegen, obgleich ich ihm so nahe gekommen war. Er war durch den Bann gelähmt, und seine Fesseln schlossen ihn ein wie eine Zwangsjacke, eine Zwangsjacke um seine Seele. Der Wandel in seinem Verhalten ergab jetzt ebenfalls einen Sinn. Dieses jähe Aufflammen scheinbar unmotivierter Gewalt … damit reagierte er nur auf diese nekromantische Attacke.
Der Bann hätte keine Macht über Menschen haben sollen, aber die psychische Sensibilität, mit der ich geboren worden war, hatte mich dafür angreifbar gemacht. Was ich erlebte, war wie Schneeblindheit oder wie das Versagen des Gehörs nach einer Explosion. Meine Stimme würde zurückkommen, aber es konnte Minuten oder gar Stunden dauern.
Ein Anfall von Platzangst brachte mein Herz zum Rasen. Selbst mein Atem verursachte kein Geräusch in meinem Brustkorb oder meiner Kehle. Ein Leichentuch aus völliger Lautlosigkeit lag auf mir und hüllte mich ein. Ich hob die anderen Ecken der Matratze hoch, wobei ich nicht erwartete, etwas zu finden. Aber am anderen Ende, dicht an der Wand, entdeckte ich einen großen dunkelbraunen Fleck auf der Unterseite. Die Farbe war unverwechselbar. Desgleichen der Bittermandelgeruch geronnenen Bluts, den der scharfe Ammoniakgestank des Urineimers überdeckt hatte.
Ich war mir bewusst, dass jeder, der die Tür oben offen vorfand, den Raum über mir durchschreiten, das Licht hier unten sehen und mich mit einer einzigen Drehung des Schlüssels – vorausgesetzt, es war jemand, der den Schlüssel bei sich hatte – einsperren konnte. Mir gefiel diese Idee nicht. Ich kehrte zur Treppe zurück, schaute mich noch einmal an diesem düsteren Ort um und stieg hinauf ins Erdgeschoss.
Die obere Tür war zugefallen. Ich öffnete sie und trat in den Parterreraum. Nur einen Schritt. Dann blieb ich plötzlich stehen. Der Raum war dunkel. Das Licht aus der Zelle im Keller drang kaum die Treppe herauf und erzeugte vor mir nur einen verschwommenen grauen Streifen zwischen breiteren Bereichen undurchdringlicher Schatten. Während ich im Keller war, hatte jemand oben das Licht ausgeknipst.
Alles, was ich an Waffen bei mir hatte, war mein Dolch. Er war für Exorzismen gedacht, nicht zur Verteidigung, und ich machte mir nicht die Mühe, ihn stets zu schärfen, aber er könnte immer noch jemanden zum Nachdenken bringen, wenn ich damit herumfuchtelte. Reglos in der Dunkelheit stehend und in diesem Moment dankbar für die absolute Lautlosigkeit meines Atems, zog ich ihn aus der Tasche und hielt ihn in Hüfthöhe abwehrbereit.
Dann roch ich ihren Duft, diesen entsetzlichen Iltisarschmoschusgestank, der sich einem ins Gehirn fraß und einen dergestalt umprogrammierte, dass man ihn liebte, und hörte sie lachen – leise, spöttisch, absolut gnadenlos.
»Er wird dir nicht helfen«, flüsterte Ajulutsikael beinahe zärtlich, und ich wusste, dass sie recht hatte. Sie war schneller und stärker als ich. Sie konnte im Dunkeln sehen. Sie konnte mir das Messer aus der Hand nehmen und sich damit die Zähne reinigen, ehe sie es mir in den Bauch rammte, und es gab absolut nichts, was ich dagegen tun konnte.
In der Hoffnung, sie aus dem Gleichgewicht zu bringen und vielleicht das Unausweichliche hinauszuschieben, warf ich das Messer lässig in die Dunkelheit und holte meine Flöte hervor. Sie würde nicht funktionieren: Der Aphthegtos -Bann würde jeden Laut daran hindern, aus meinem Mund zu dringen. Aber es war nun mal so, dass ein armseliger Bluff alles war, was ich noch hatte.
Sie ließ sich nicht täuschen. Entweder spürte sie die Magie von McClennans Sigillen an mir, oder sie konnte an meinem Gesicht ablesen, dass es nur Irreführung war. Ich hörte ihre hohen Absätze auf dem Fußboden klicken, als sie auf mich zuschlenderte. Sie wusste, dass sie diesmal von der Flöte nichts zu befürchten hatte.
»Hier war eine Frau angekettet«, sagte Ajulutsikael. Sie flüsterte wieder kehlig, aber diesmal klang sie viel näher. Sie war nur noch zwei Schritte von mir entfernt, ein wenig rechts vom Mittelpunkt des Raums. Wenn ich ihrem ersten Angriff auswich, konnte ich vielleicht einen Haken nach links schlagen und zur Tür hasten. Aber ich würde sie nicht erreichen. Es entstand ein Moment furchterregender Stille, in dem ich mich spannte und
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