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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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darauf vorbereitete, aktiv zu werden. Dann ergriff sie wieder das Wort, aus noch geringerer Distanz. »Hast du sie angekettet?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Hast du sie dir als Schoßtier gehalten, bis du ihrer überdrüssig wurdest? Allein? Im Dunkeln? War der Gestank ihrer Angst für dich wie süßer Duft?«
    Ich konnte nur erneut den Kopf schütteln, heftiger diesmal. Wer mir den Kopf abriss, bekam mehr oder weniger einen Müllhaufen oder ging zumindest ein gewisses Risiko ein, was den Wiederverkaufswert betraf – aber ob tot oder lebendig, ich wollte auf keinen Fall mit diesem Höllenloch in Verbindung gebracht werden.
    »Wie schade! Dann wäre es noch schöner geworden. Aber ich verschlinge dich trotzdem.« So etwas wie Wut drang grollend und knurrend unter ihrer katzenhaften Verspieltheit hervor. »Ich werde dich für die unwürdigen Umstände dieser Beschwörung bezahlen lassen, Mann. Dafür, dass ich gezwungen bin, nach den Launen dieser übel riechenden Fleischklumpen am Ende einer Kette zu tanzen. Ich werde mir bei dir Zeit nehmen. Du wirst mich lieben, während du stirbst, und du wirst am Ende verzweifeln.«
    Ich konnte sie jetzt wirklich sehen. Meine Augen hatten sich bis zu einem Punkt angepasst, ab dem ich den dunkleren Fleck einer Bewegung vor dem dunklen Hintergrund erkennen konnte. Ein fließender schwarzer Schemen, so dunkel wie Mitternacht.
    Ich bewegte die Arme in einer Art Achselzucken – es war ungefähr das Äußerste, was ich zustande brachte, um um mein Leben zu betteln. Ihre Hand fiel auf meine Schulter, drehte mich so, dass ich sie ansah. Ich schlug zu, und sie fing meine Faust auf. Ich wich zurück, und sie zog mich an sich – dann schleuderte sie mich mühelos quer durch den Raum, sodass ich gegen das Sofa krachte, es umkippte und über den Fußboden rollte, bis ich gegen die Wand dahinter prallte und liegen blieb.
    »Komm, wir machen es uns gemütlich«, flüsterte sie.
    Ich rang nach Luft und war benommen, aber ich wappnete mich, um mich irgendwie zu wehren. Ich schaffte es gerade noch auf ein Knie hoch.
    Was dann geschah, kann ich nur den Geräuschen nach beschreiben, denn sie waren alles, was ich mitbekam. Zuerst hörte ich eine ganze Serie schwerer Aufpralllaute, als hätten mehrere Männer auf Kommando, aber nicht genau gleichzeitig, gegen die Rückwand geschlagen. Ajulutsikael grollte vor Überraschung und Schmerz, und das Fenster zerschellte. Nicht nur das Fenster. Mit einem lauten, auffälligen Krachen brach eine Ecke der Sperrholzverschalung ab und polterte auf die Straße. Gelbes Licht von einer Straßenlampe drang in den Raum.
    Es zeigte Ajulutsikael in Verteidigungshaltung, die Hände schützend vorm Gesicht. Eine Flasche schoss durch die Luft auf sie zu, und ihr rechter Arm vollführte eine schnelle Bewegung. Sie schmetterte sie zur Seite, und sie zersprang in einer Wolke funkelnder Glassplitter und Wassertropfen. Es half ihr wenig. Die scharfkantigen Scherben wurden im Fallen langsamer, änderten die Richtung, sprangen ihr wieder entgegen und stachen sie wie ein Schwarm gläserner Bienen. Ich verfolgte das Geschehen mit großen Augen und versuchte, dem, was ich sah, irgendeinen Sinn abzugewinnen, als eine Scherbe der geborstenen Fensterscheibe, etwa zehn Zentimeter lang, wie ein Pfeil durch die Luft zischte und sich in ihren Rücken bohrte.
    Ruckartig und kaum von meinem bewussten Wollen gesteuert fuhr mein Kopf herum. Der Geist stand am oberen Ende der Treppe. Die roten Schleier vor seinem Gesicht wallten und blähten sich wie Bettlaken, die in einer steifen Brise auf einer Wäscheleine hingen. Er rührte sich nicht, und sein Kopf war leicht gesenkt, aber er sah Ajulutsikael direkt an. Sein Kopf drehte sich, und sein Blick wanderte von links nach rechts, dann von rechts nach links durch den Raum – und diesmal begann der Scherbenregen zu tanzen.
    Ajulutsikael hatte ihn ebenfalls gesehen. Sie bewegte sich auf den Geist zu, die Finger zu Krallen gekrümmt. Aber der Scherbenregen bewegte sich mit ihr, umkreiste sie und stürzte sich wie eine Woge auf sie, um sich sofort wieder zurückzuziehen und sich zu einem neuen Angriff zu sammeln. Ihre Kleider hingen in Fetzen herab, und nicht nur sie, auch Streifen ihrer Haut. Rinnsale schwarzen Bluts zeichneten ihr Gesicht, und ihre Augen waren weit aufgerissen und flackerten vor rasendem Zorn.
    Ein raubtierhaftes Knurren baute sich in ihrer Kehle auf, steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden Gebrüll, in dem Laute, wie ich sie

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