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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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sich nach Hause? Von wegen Recht der ersten Nacht und so?«
    »Nein. So etwas habe ich nie gehört. Carol meint, er sei schwul.«
    Da war ich anderer Meinung. Aufgrund meiner kurzen Bekanntschaft mit Damjohn – vor allem nach der unerwünschten Flut von Bildern und Ideen, als ich ihm die Hand schüttelte – wusste ich, dass er auf andere Dinge abfuhr, die nur entfernt mit Sex zu tun hatten.
    »Nichts sonst?«, fragte ich, nur um sicherzugehen.
    Sie dachte angestrengt nach, runzelte die Stirn und sah mich zweifelnd an.
    »Ich glaube, Scrub sagte – aber das ergibt keinen Sinn.«
    »Was sagte er?«
    »Nun – was ich hörte, war ›Auf dich wartet jetzt die nette Lady‹.«
    »Die nette Lady?«
    »Ja. Oder möglicherweise auch die schöne Lady. So etwas. Ich weiß nicht. Es klang einfach seltsam, deshalb ist es mir im Gedächtnis geblieben.«
    »Danke, Jasmin«, sagte ich und meinte es durchaus aufrichtig. »Danke, dass du mir vertraut hast!«
    Es war kein großer Trost für sie, aber diesmal griff sie zu, als ich den Zwanziger hochhielt, und steckte ihn in ihren Strumpf. »Meinst du, du könntest sie finden?«, fragte sie. Ihre professionelle Fassade war innerhalb einer Minute zusammengebrochen, und sie sah aus, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen.
    »Ich weiß nicht. Aber ich werde es versuchen.«
    »Wird Scrub – wird sie unversehrt sein?«
    Es hatte keinen Sinn, die bittere Pille zu versüßen. Huren kannten sich mit selbstbetrügerischem Gerede besser aus als Priester. »Auch das weiß ich nicht«, gab ich zu. »Ich denke, zumindest für eine Weile wird ihr nichts geschehen. Falls es etwas gibt, von dem Damjohn will, dass sie nicht darüber redet, ist es sinnlos, so weit zu gehen und sie ganz zum Schweigen zu bringen, wenn es dann nur auf andere Art und Weise herauskommen wird.«
    Jasmin fragte nicht, was ich damit meinte, und ich erklärte es nicht. Sie hätte es höchstwahrscheinlich sowieso nicht verstanden. Aber für mich sah es aus wie eins dieser Logikprobleme, die auf die Behauptung hinausliefen, alle Menschen seien Sokrates, und Sokrates sei eine Gummiente. These: Ich war der, der dort herumschnüffelte, wo er nichts zu suchen hatte, und alle möglichen peinlichen Fragen stellte. Antithese: Rosa stellte nur eine Gefahr dar, wenn sie mir etwas erzählte, das ich nicht wissen durfte. Synthese: Sie brauchten sie nur so lange aus dem Verkehr zu ziehen, bis sie es geschafft hatten, mich zu beseitigen.
    Das waren verdammt schöne Aussichten.
    *
    Es kam mir vor wie ein langer Tag. Ich kehrte gegen sechzehn Uhr zu Pens Haus zurück und schlug einige Zeit damit tot, eine Melodie mit einem Walkman aufzunehmen, den ich im letzten Jahr auf dem Camden Market gefunden hatte. Es war ein altes Modell – nur für Kassetten geeignet –, aber er hatte ein eingebautes Mikrofon und Lautsprecher, was in vieler Hinsicht sehr praktisch war. Es dauerte eine Weile, bis ich das Lied richtig hinkriegte, und ich war mir alles andere als sicher, dass ich es je brauchen würde, aber ich hatte nichts Besseres zu tun, bis entweder Dodson oder Nicky mir grünes Licht gaben. Ich erinnerte mich an John Gittings’ Zangenangriff. Ich wäre beim ersten Mal, als wir ihn versuchten, fast draufgegangen, aber es gab keinen Grund, eine gute Idee zu verwerfen. Ich arbeitete gut anderthalb Stunden lang konzentriert und fand ein wenig Ablenkung von dem Gedankenwirrwarr in meinem Kopf.
    Am Ende rief Nicky nicht an. Er erschien einfach wie aus dem Nichts, auf die allgemein übliche Art und Weise der Verschwörungstheoretiker. Ich ging nach unten, um mir einen Kaffee zu holen, und stellte, während ich eine reichliche Portion in den Mokkabecher füllte, fest, dass er da war und in der Dunkelheit hinter mir am Küchentisch saß. Er hatte sich nicht gerührt, seit ich hereingekommen war. Ich hätte hinausgehen können, ohne ihn zu bemerken – und als ich ihn entdeckte, dachte ich für einen kurzen Moment, er sei ein Besucher von einem anderen Stern.
    Als ich erkannte, dass es nur Nicky war, stieß ich einen herzhaften Fluch aus. Er nahm die Beleidigungen mit stoischer Gelassenheit hin.
    »Ich habe für diese Woche genug telefoniert«, sagte er leise. »Ich vermeide sorgfältig Fußspuren, Felix. Ich halte sie aus guten Gründen so klein wie möglich.«
    »Deine Fußspuren?«, fragte ich spöttisch.
    »Der verfolgbare, dokumentierbare, sichtbare Teil meines Lebens«, präzisierte er. »Wenn ich aus der Versenkung auftauchen wollte,

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