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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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einem besonders üblen Zeitgenossen macht.
    Ich wusste nicht, wohin Polizisten gingen, um sich nach dem Dienst zu entspannen und ihre wertvolle begrenzte Freizeit zu verbringen. Man konnte es sich jedoch ganz gut vorstellen. Irgendeine Bar, wo jeder nachschaute, ob sein Glas auch bis zum Eichstrich gefüllt war, ehe er einen Schluck trank, wo man seinen Mantel auf der Rückenlehne seines Stuhls liegen lassen konnte, wenn man zur Toilette ging, und wo Pakistani-Witze nie aus der Mode kamen.
    Aus naheliegenden Gründen war das nicht der Ort, wo James Dodson sich mit mir verabredet hatte. Stattdessen hatte er die Bar Italia in der Old Compton Street ausgesucht, saß ganz hinten, als ich eintraf, und gab sich alle Mühe, nicht gesehen zu werden. Sobald ich mich setzte, eine Zimtmilch in der Hand, klatschte er einen Schnellhefter auf die Theke und erhob sich.
    »Da drin ist alles, was Sie brauchen«, sagte er, »und jetzt gehe ich wieder, sofern mit Ihnen zu trinken nicht zum Geschäft gehört, und nehme Sie beim Wort, Castor. Wenn ich je wieder von Ihnen hören sollte – wenn ich je Ihr Gesicht auch nur von Weitem sehen sollte –, habe ich ein paar Freunde, denen es ein Vergnügen wäre, dafür zu sorgen, dass Sie blutige Tränen weinen.«
    Ich sah ihn gequält an, weil diese klischeehafte Warnung mich schmerzhafter traf als eine offene Drohung. »Ja, aber dann würde ich nur sterben, Dodson, und müsste zurückkommen und Sie verfolgen. Lassen Sie es lieber bleiben, und verschwinden Sie!«
    Er stolzierte hinaus, wobei er entweder entschied, dass ich nicht die Mühe wert war, einen verbalen Schlagabtausch zu führen, oder weil er sich daran erinnerte, dass er unbewaffnet war. Ich wandte meine Aufmerksamkeit dem Schnellhefter zu.
    Wie der Mann gesagt hatte, war darin alles, was ich brauchte. Die Zimtmilch wurde kalt und bildete eine ungesund gefärbte Haut, die aussah wie eine schlecht verheilte Wunde, während ich mich in die Phantasmagorie mühsamer Polizeiarbeit vertiefte, die Dodson für mich zutage gefördert hatte.
    Man konnte über unsere Polizei sagen, was man wollte, ihr Papierkram war makellos. Autopsieberichte waren mit Querverweisen zu Röntgenaufnahmen, Untersuchungsbefunden und illustrativen Diagrammen und in einem Fall sogar zu einem T-Shirt oder zumindest dem Foto eines solchen versehen. Es lag bei, weil einige Stofffasern des Shirts in der Luftröhre der fraglichen Frau gefunden wurden, was auf den Versuch hinwies, sie zu ersticken, »nachdem sie zu einem früheren Zeitpunkt des Überfalls ihrer Kleidung beraubt wurde«.
    Mein Wesen machte mich auf morbide Weise in vieler Hinsicht sensibel, in anderer unerträglich hartgesotten. Bei dieser Gelegenheit dominierte die erste Eigenschaft, und ich hatte Mühe, gleichmäßig zu atmen, als ich die albtraumhaften Begleitumstände zusammenfügte, unter denen das Leben dieser drei Frauen ein Ende gefunden hatte.
    Jenny Southey war Opfer eines Verkehrsunfalls mit Fahrerflucht, aber es war nicht sauber und schnell passiert. Sie hatte als Prostituierte in den Straßen rund um King’s Cross gearbeitet. Kaum achtzehn. Ein Wagen hatte sie gegen eine Mauer gequetscht, dabei ihre Hüften gebrochen und die Leber zerrissen. Aus den beigefügten Protokollen ging hervor, man habe einen Verdächtigen dingfest gemacht und dieser habe ein bruchstückhaftes Geständnis abgelegt. Der Unfall schien die Folge einer unkontrollierten Bordsteinfahrt unter Einfluss einer erheblichen Menge Alkohol gewesen zu sein. Ganz gleich, wozu man den Kerl verurteilt hatte, ich wünschte ihm dazu eine lebenslange Impotenz als zusätzliche Belohnung für seine Sauferei.
    Caroline Beck war sogar noch jünger, aber ihr Tod war genauso brutal und willkürlich gewesen. Sie war während einer Party an einer Überdosis Methadon gestorben, drei Straßen entfernt vom Bonningtonarchiv in der sinnträchtigen Polygon Road. Es wäre nicht anders zu erwarten gewesen, wenn sie Drogenkonsumentin gewesen wäre, aber das war sie nicht. Irgendein vollgedröhntes Arschloch hatte sich ihr genähert, während sie tanzte, und ihr eine Injektion verpasst, ehe sie merkte, wie ihr geschah. Er hatte nur etwas gute Laune verbreiten wollen, aber da er für seine Attacke ihre Halsschlagader ausgesucht und sie nie zuvor injiziert hatte, war die Wirkung um ein Vielfaches verstärkt. Das Mädchen starb eine halbe Stunde später, als ihre gesamte Muskulatur sich verkrampfte, an Atemstillstand.
    Beide erschienen mir plausibel. Es

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