Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
würde ich mich im Wählerverzeichnis eintragen, nicht wahr?«
»Was auch immer«, sagte ich resignierend, zog einen Stuhl her und nahm ihm gegenüber Platz. »Hast du was für mich?«
Er nickte und hob die verschränkten Arme. Darunter kam der Laptop zum Vorschein, der auf dem Tisch stand. Er schob ihn mir zu.
»Irgendeine schriftliche Zusammenfassung?«, fragte ich hoffnungsvoll.
»Unnötig. Ein Ordner – RUSSISCH; eine Datei – RUSSISCH1; dreitausendzweihundert Einträge in vollständiger Folge mit der vorangestellten Kennzeichnung BATR1038. Dateneinträge in jedem Fall von einem Benutzer – das System gibt ihm die Bezeichnung 017 –, und alle Kommentare stammen von ihm. Daraus ergibt sich nur eine einzige Schlussfolgerung, zu der ein vernunftorientierter Geist gelangen kann.«
»Nämlich?«
»017 war der/die einzige datenverarbeitende Instanz, die je Zugriff auf diesen Ordner hatte.«
Ich verarbeitete diese Information schweigend und war für einen kurzen Moment deprimiert. Bis ich das Schlupfloch in Nickys Formulierung erkannte. »Du sagtest ›vernunftorientierter Geist‹«, zitierte ich.
Er nickte. »Absolut. Ein Geist wie meiner, der Paranoia als Möglichkeit betrachtet, eine kritische Haltung einzunehmen, kommt zu ganz anderen Schlüssen.«
»Komm schon, Nicky«, sagte ich. »Verrate mir die Pointe!«
»In hundertdreiundfünfzig Fällen wählte Benutzer 017 eine andere Methode der Dateneingabe. Ich fand den Hinweis in der config.sys, denn sie war offensichtlich neu geschrieben worden, um die Methode zuzulassen.«
»Drück es mal für einen Laien verständlich aus!«
»Er hat sein Keyboard abgetrennt und ausgewählte Bereiche mit einer tragbaren Bluetooth-Tastatur überschrieben – wahrscheinlich mit diesem diNovo-Ding, das Logitech im vergangenen Jahr in Houston vorgestellt hat. Das Schöne daran ist – nun, ich glaube, es ist ein Dongle-System. Eine Keyboard-Verbindung läuft stets über einen individuell kodierten Hardware-Schlüssel.«
»Richtig.«
»Daher ist ein Bluetooth-Gerät nicht direkt mit dem Rechner verbunden. Es brauchte nicht ins Schlüsselloch zu passen, weil es das Schlüsselloch nicht benutzt. Es arbeitet drahtlos.«
Ich ließ mir das kurz durch den Kopf gehen.
»Aber es war immer noch Benutzer 017?«, sagte ich. »Derselbe Typ, nur ein anderes Keyboard.«
Nicky grinste böse. Er genoss es augenscheinlich. »Es war jemand, der dem System vorgaukelte, er sei Benutzer 017. Aber er musste seine eigene Identifikation benutzen, als er die Config-Datei änderte. Selbst wenn man sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht, hinterlässt man Spuren. Es ist Benutzer 020.«
»Hab ich dich, du Bastard«, murmelte ich. »Nicky, das ist bewundernswert – danke! Ich werde der Sache möglicherweise morgen oder ein wenig später auf den Grund gehen, und dann kannst du mit einem verfrühten Weihnachtsgeschenk rechnen.«
Nicky nahm das Lob mit der gleichen gefassten Miene hin wie meine Beleidigungen. Es wäre unter seiner Würde gewesen, sich zu bedanken. Er rührte sich nicht. »Da ist nur noch eine andere Sache, Felix.«
»Red schon!«
»Als ich im System war, sah ich mir auch noch ein paar andere Ordner an. Es waren etwa zwei Dutzend aus den letzten sechs oder sieben Jahren. Die älteren sind in Ordnung – keine Manipulationen, keine ungewöhnlichen Einträge. Aber seit drei Jahren oder so ist Benutzer 020 richtig fleißig. Der jüngste Bluetooth-Zugriff fand vergangenen März statt. Davor nutzte er ein irF-Widget, aber das Prinzip ist das gleiche – man benutzt die Hintertür, die das System offen hält, damit man seinen Laptop oder seinen Palm Pilot mit der Maschine verbinden und Adressbücher und so weiter aktualisieren kann.«
Er stand auf.
»Etwa zweitausend Einträge sind betroffen«, sagte er. »Auf diesem Gerät zumindest. Unter der Voraussetzung, dass es noch weitere unabhängige Eingabegeräte gibt, lässt sich nicht feststellen, was Mister Zwanzig sonst noch getan hat.«
Während er zur Tür ging, rief ich ihm nach: »Was macht er mit den Einträgen? Nur damit ich weiß, was Sache ist. Was fälscht er?«
»Das weißt du doch längst, Felix«, meinte Nicky tadelnd.
»Er löscht sie«, sagte ich. »Er entfernt sie aus dem System.«
»Genau. He, ich war nie hier, weshalb du mich auch nicht gesehen hast. Schönen Abend!«
18
S onntag. Der Tag des Herrn. Aber wie ein besonders cleverer Bastard mal bemerkt hat, gibt es keine Ruhe für die Gottlosen – was mich zu
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