Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick
freudig und unbeholfen in eine ausgestreckte Hand – und mit so viel Hautkontakt wie möglich. Meine psychischen Antennen waren auf höchste Empfangsleistung geschaltet, aber sie funktionierten nur auf direkte Berührung. Ich wusste, was ich suchte, aber ich wusste auch, dass ich nehmen musste, was immer ich kriegen konnte.
Bei Nummer acht oder neun stieß ich auf Gold. Sie war eine schmolllippige, leicht magersüchtige Braunhaarige in feuerwehrrotem Büstenhalter und Slip – wobei Letzterer vorn in der Mitte mit einem Herz aus Pailletten geschmückt war – sowie einem hauchdünnen, durchsichtigen Top und schwarzen, mit eingestickten bourbonischen Lilien verzierten Strümpfen.
»Wir haben uns noch gar nicht kennengelernt«, sagte ich zu ihr, ergriff ihre Hand und erhielt einen stärkeren psychischen Eindruck von ihr. »Wie heißt du?«
»Jasmin«, sagte sie mit einem, wie sie sicherlich glaubte, heißblütigen Blick, »und du?«
»Ich bin John«, sagte ich, denn das war der erste Name, der mir in den Sinn kam.
»Möchtest du gern mit mir raufgehen, John?«
»Ja«, sagte ich. »Das wäre toll.«
Sie lächelte warm. »Was magst du am liebsten?«
»Mir gefällt eine gegenseitige Ganzkörpermassage«, wagte ich mich vor. Dann, um weiteren detaillierten Fragen vorzubeugen: »Kannst du es auch auf die Glasgower Art?«
Jasmin bluffte gekonnt wie eine Veteranin der käuflichen Liebe. »Natürlich kann ich das, du böser Junge«, schnurrte sie. Sie nahm den Schlüssel, den die Blonde ihr reichte, warf einen unauffälligen Blick auf die daranhängende Nummer und führte mich mit besitzergreifend eingehaktem Arm zur Treppe. Schließlich war ich der einzige John am Ort.
Ich konnte nicht sagen, ob ich schon mal in dem Zimmer gewesen war, in das sie mich mitnahm, aber es war mit allen anderen, die ich gesehen hatte, identisch: eine triste, saubere kleine Kammer und auf seine Art genauso funktional perfekt wie eine Käfigzelle auf einer Hühnerfarm.
»Dann erzähl mir mal genau, wie ich es tun soll«, lockte Jasmin und setzte mich auf das Bett, »und ich verrate dir dann, wie viel es kostet.«
Ich ließ geknickt den Kopf hängen. »Eigentlich, Jasmin«, gestand ich, »hatte ich gehofft, dass wir nur reden können – da es mein erstes Mal mit dir ist. Was ist der Preis für Missionarsstellung ohne Sonderprogramm?«
Ich rechnete mit einer ärgerlichen Reaktion, aber sie steckte es mühelos weg. Es musste viel häufiger vorkommen, als ich mir vorgestellt hatte, dass Freier so weit mitgingen und dann den Mut verloren.
»Sechzig, John. Lass uns das jetzt gleich regeln, und dann haben wir alle Zeit der Welt, einander kennenzulernen.«
Gehorsam zählte ich drei Zwanziger in Jasmins ausgestreckte Hand. Sie verließ das Zimmer, höchstwahrscheinlich um das Geld bei der Madame vom Dienst abzuliefern, und kam ein paar Sekunden später zurück und schloss die Tür hinter sich.
»Möchtest du, dass ich mich ausziehe?«, fragte sie, während sie vor mir stand, auf mich herablächelte und die Hände auf ihre Brüste legte.
Angesichts ihrer Kleidung schien es eher eine symbolische Geste zu sein – und es würde nicht die notwendige Stimmung für eine entspannte Unterhaltung fördern. »Nein, danke«, beteuerte ich. »Was du im Moment trägst, ist völlig in Ordnung. Absolut.«
Sie setzte sich neben mich, legte eine Hand auf mein Knie und schmiegte sich an mich. Sie roch nach Blumen, süß und zart, aber es erinnerte mich – auf unfaire Weise – an Juliet alias Ajulutsikael. Ich musste gegen den Impuls ankämpfen zurückzuweichen.
»Über was möchtest du reden, John?«, gurrte sie mit einer kindlichen Stimme.
Ich setzte alles auf eine Karte. »Du hast eine Kollegin namens Rosa«, sagte ich, »und ich nehme an, ihr habt manchmal die gleiche Schicht, daher hoffte ich, dass du sie kennst.«
Es war nicht das, was sie erwartet hatte oder was sie hören wollte, aber sie ging darauf ein.
»Ist Rosa deine Favoritin?«, fragte sie im gleichen Shirley-Temple-Tonfall.
Ich dachte an das Steakmesser. »Rosa hat einen starken Eindruck auf mich gemacht«, bestätigte ich und beugte als Buße für diese lahme Erwiderung das Knie vorm geheimen Altar meines Gewissens, »und seit ich sie das erste Mal sah, will ich sie wiedersehen. Aber heute ist sie nicht da.«
»Stimmt. Sie ist nicht da.« Jasmin spielte das Spiel immer noch nach den Hausregeln, aber in ihre Stimme schlich sich ein vorsichtiger Unterton. »Soll ich tun, als wäre ich
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