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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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ursprüngliche Frage zurück. »Unser Personal umfasst dreißig Personen inklusive mehrerer Teilzeitkräfte, und ich glaube, jeder hat den Geist mindestens einmal gesehen. Es war anfangs sehr beunruhigend. Wie gesagt, er favorisiert den Spätnachmittag für seine Auftritte, und um diese Zeit ist es oft schon um sechzehn Uhr dunkel. Es war sehr verwirrend, wenn man ein Buch suchte und dann aufschaute und ihn am Ende des Raums stehen sah. Von wo er einen fixierte. Mit den Füßen einige Zentimeter über dem Boden oder bis zu den Knöcheln darin versunken.«
    »Und Sie anschaute.«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben das zweimal gesagt«, erinnerte ich ihn. »Dass der Geist Sie fixierte. Aber ich glaube, Sie haben auch erwähnt, sein Gesicht sei sehr schemenhaft. Woher wissen Sie, was er betrachtet?«
    »Nicht schemenhaft«, widersprach Peele. »Das habe ich nie gesagt. Ich sagte, man kann sein Gesicht nicht sehen. Jedenfalls nicht den oberen Teil. Es scheint, als befände sich ein … Schleier davor. Ein roter Schleier. Ich kann die Wirkung nicht genau beschreiben, aber das ist möglicherweise das Beunruhigendste an dem Geist. Der Schleier verhüllt alles vom Haaransatz bis knapp unter die Nase, sodass nur der Mund zu sehen ist.« Er hielt für einen Augenblick inne – er zog seine Erinnerung zurate, nahm ich an –, und seine Stimme wurde noch unsicherer. Ich hörte, wie er nach Worten rang und sie in Gedanken hin und her drehte, um ihre spezielle Bedeutung zu analysieren. »Aber man spürt sein Interesse«, sagte er. »Man weiß, dass er einen beobachtet. Prüft. Ein Irrtum ist in diesem Punkt unmöglich.«
    »Das erlebt man bei vielen Erscheinungen«, stimmte ich ihm zu. »Ektoplastisches Glotzen. Man kann es sogar erleben, ohne dass der Geist erscheint, und dann ist es natürlich viel schwieriger, damit zurechtzukommen – und sehr viel schwieriger, es als das zu erkennen, was es ist. Was Sie erleben, ist die häufigere Variante: Er schaut einen an, und man spürt sozusagen den Druck seines Blicks. Aber …« – erneut brachte ich ihn zurück auf das ursprüngliche Thema –, »… er macht jetzt mehr, als nur zu schauen, richtig?«
    »Am vergangenen Freitag«, sagte Peele unglücklich. »Einer meiner Assistenten – ein Mann namens Richard Clitheroe – restaurierte ein Dokument in der Personalwerkstatt. Viele Originalmanuskripte wurden sehr nachlässig behandelt – unabsichtlich, will ich mal annehmen –, daher besteht ein Großteil unserer Arbeit aus Konservierung und Rekonstruktion. Er griff nach einer Schere, und dann entstand … eine heftige Bewegung. Alles auf dem Tisch flatterte wild herum, und die Schere flog ihm aus der Hand. Der Geist schnitt ihm ins Gesicht, nicht sehr tief, aber doch deutlich sichtbar, und … und beschädigte das Dokument.«
    Er verstummte. Ich war fasziniert, dass er die Beschädigung des Dokuments an letzter Stelle genannt hatte: Seiner gedämpften Stimme nach zu urteilen war das offenbar der Punkt, der ihm den größten Schrecken eingejagt hatte. Also gab es in Peeles Archiv einen harmlosen, passiven Geist, der plötzlich in Wut geraten und aktiv geworden war. Das war ungewöhnlich, und ich spürte, wie die Neugier in meinem Magen rumorte wie eine erwachende Schlange. Ich biss die Zähne zusammen und hielt sie streng im Zaum.
    »Ich habe gelegentlich mit einer Frau zusammengearbeitet«, sagte ich zu Peele. Eigentlich hatte ich unter ihr gearbeitet, aber ich erlaubte mir diese gesichtsrettende Lüge. »Professor Jenna-Jane Mulbridge. Sie haben wahrscheinlich schon von ihr gehört. Die Autorin von In Fleisch und Geist ?« Peele atmete aus – ein Laut, der halbwegs wie ein »Ah!« klang. JJs Hauptwerk war eins der wenigen massentauglichen Lehrbücher unseres Gewerbes, daher hatte jeder schon mal von ihr gehört, selbst wenn er das Buch nie gelesen hatte. »Die Frau, die Rose erweckt hat?«, bestätigte Peele hörbar beeindruckt.
    Tatsächlich war ein ganzer Haufen von uns nötig gewesen, um den Geist zu wecken, der scherzhaft als Rose Kranz bekannt war – und ein ganzes fachkundige Team war nötig, um sie erweckt zu erhalten, als wir sie bei uns hatten –, aber ich schenkte mir einen Kommentar dazu. »Professor Mulbridge praktiziert noch gelegentlich«, sagte ich. »Sie leitet die Klinik für metamorphe Ontologie in Paddington, daher steht sie ständig mit den Besten unserer Zunft in Verbindung. Ich kann ihr eine Nachricht zukommen lassen und sie bitten, sich mit Ihnen in Verbindung

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