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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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zu setzen. Ich bin sicher, sie kann Ihnen helfen.«
    Peele ließ sich diesen Kompromiss durch den Kopf gehen. Einerseits hielt ich ihm mit JJ eine Karotte von beträchtlicher Größe vor die Nase. Andererseits hatte er sich augenscheinlich, wie Klienten es gewöhnlich taten, sofortige Erfüllung seines Anliegens erhofft.
    »Ich dachte, Sie könnten selbst kommen«, sagte er spitz. »Ich will diese Geschichte heute noch geregelt haben.«
    Ich hatte für Klienten, die es mit dieser Taktik versuchten, eine Standardantwort bereit, aber ich hatte das Gefühl, als hätte ich Peele bereits genug Toleranz und Geduld zuteilwerden lassen.
    »So läuft Exorzismus nicht«, sagte ich knapp. »Mr Peele, ich fürchte, ich muss Sie auf später vertrösten – es sei denn, Sie wollen Ihr Glück anderswo versuchen. Ich habe noch eine Verabredung, und zu der will ich keinesfalls zu spät kommen.«
    »Würde denn Ms Mulbridge für uns den Exorzismus vornehmen?«, blieb Peele stur.
    »Professor Mulbridge. Das kann ich nicht versprechen, aber ich werde sie fragen, ob sie frei ist und Zeit hat, es zu übernehmen. Wenn ja, dann denke ich, das Archiv steht im Telefonbuch.«
    »Wir haben eine Website. Sämtliche Kontaktdaten sind dort vermerkt, aber meine Privatnummer …«
    Ich unterbrach ihn, um ihm zu sagen, die Website reiche aus, aber er bestand darauf, ich solle dessen ungeachtet seine Privatnummer aufschreiben. Ich notierte sie auf der Rückseite von Rafis Kuvert. »Danke, Mr Peele! Wirklich nett, mit Ihnen zu sprechen.«
    »Aber wenn die Professorin nicht verfügbar ist …«
    »Dann werde ich es Sie wissen lassen. So oder so werden Sie von mir oder von ihr hören. Guten Abend, Mr Peele! Geben Sie auf sich acht.«
    Ich legte auf, ging zur Tür hinüber und eilte die Treppe hinab. Ich kam unten an, ehe das Telefon erneut klingelte.
    Ich knipste das Licht aus, drehte den Schlüssel im Schloss und ging zu meinem Auto. Es stand noch dort, wo ich es geparkt hatte, und hatte auch noch sämtliche Räder. Selbst im schlimmsten Fall gab es immer noch winzige Löcher im mitternachtsdunklen Baldachin meines Ungemachs.
    Ein Glas Whisky lockte mich wie ein verführerischer Sirenengesang, der die heiseren, brüchigen Stimmen der Nacht übertönte.
    Aber ich war wie Odysseus an den Mast gefesselt.
    Zuerst musste ich Rafi besuchen.
    *
    Ich wechselte meine Kleidung im Auto und verspürte ein Prickeln der Erleichterung, als ich den grünen Smoking auf den Rücksitz legte. Es war nicht seine lächerliche Farbe; es war das Gefühl, ohne meine Tin Whistle zu sein, die für mich genauso wichtig ist wie eine Pistole für einen amerikanischen Privatdetektiv. Während ich mir den Paletot über die Schultern zog – ein hartes Stück Arbeit in dieser Enge –, musste ich mich vergewissern, dass die Tin Whistle sich immer noch an ihrem angestammten Ort befand, in der langen, eingenähten Tasche in Brusthöhe auf der rechten Seite, von wo ich sie mit der linken Hand hervorholen konnte, während es aussah, als schaute ich lediglich auf die Uhr. Der Dolch und der silberne Becher waren auf ihre Art nützliche Werkzeuge, aber die Flöte war eher wie ein Teil von mir: ein zusätzliches Körperglied.
    Sie ist eine original Clarke in D-Dur mit handgemalten Rauten um die Grifflöcher und dem lieblichsten Klang, den ich je gehört habe. Es gab sie auch in C-Dur, aber wie David St. Hubbins einmal sagte: »D-Dur ist die traurigste Tonart.« Dort fühlte ich mich heimisch.
    Zufrieden, dass die Flöte sich befand, wo sie sein sollte, startete ich den Wagen und ließ das Büro mit dem vertrauten gemischten Gefühl der Erleichterung und eines drogenentzugstypischen Unbehagens zurück.
    Die Charles-Stanger-Care-Facility war eine diskrete kleine Einrichtung etwa ein Drittel des Wegs den lang gestreckten Bogen der Coppetts Road hinunter, nicht weit vom North Circular. Der Haupttrakt bestand aus einer ganzen Reihe Arbeiterhäuser, die man zu einem einzigen Gebäude zusammengefügt hatte, und obgleich ihr mittlerweile einige seltsame, missgestaltete Glieder gewachsen waren, schaffte es die Anlage mit Coldfall Wood im Hintergrund immer noch idyllisch zu erscheinen, wenn man sich ihr an einem Sommertag näherte – und wenn man über die Kolonnaden abgewrackter Bettgestelle und toter Kühlschränke, die an den Straßenrändern von Umweltverschmutzern zurückgelassen worden waren, hinwegsah.
    Aber der feuchte Novemberabend zeigte den Ort in einem trüberen Licht, und sobald man durch

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