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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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hatte ja große Probleme damit. Sie wissen ja, die eine Hand schreibt, während die andere versucht, das Papier wegzuziehen.«
    Ich richtete mich auf und vollführte mit den Brauen quasi ein Achselzucken. »Asmodeus hat gewonnen«, sagte ich knapp, und Carla verzog säuerlich das Gesicht. Asmodeus gewann immer. Es lohnte sich noch nicht einmal, das zu erwähnen, und ich hatte es nur gesagt, um zu vermeiden, auf ihre angedeutete Frage eine andere Antwort zu geben
    »Ich werde mal reingehen«, sagte ich. »Wenn Dr. Webb noch mit mir sprechen will, kann ich nachher noch eine Weile bleiben. Aber das ist wirklich eine vollkommen private Sache.«
    »Gehen Sie nur«, sagte sie und winkte mich weiter. »Paul hat die Schlüssel.«
    Paul war ein schwermütiger schwarzer Mann, so groß und breit, dass er auf dem Fußballfeld ganz allein als Viererkette durchgegangen wäre. Er redete wenig, und wenn, dann fasste er sich kurz und kam sofort auf den Punkt. Als er mich durch den Flur auf sich zukommen sah, sagte er nur ein einziges Wort, »Ditko?«, und ich nickte. Er machte kehrt und ging voran.
    Am Ende des Hauptflurs kam eine Linkskurve, nach der der Fußboden geringfügig anstieg, wenn man von den umgebauten Häusern in einen neueren, zweckmäßig gebauten Flügel gelangte. Dort herrscht auch eine andere Atmosphäre – auf psychischer Ebene, meine ich. Alte Steine erzeugten eine Art gleichbleibendes, diffuses emotionales Magnetfeld, wie das Glimmen eines erlöschenden Feuers. Frisch gegossener Beton war nichtssagend und kalt.
    Was die Ursache sein konnte, weshalb ich fröstelte, als wir vor Rafis Tür stehen blieben.
    Paul bückte sich ein wenig, um einen Blick durchs Kontrollfenster zu werfen, und schnalzte mit der Zunge. Dann schob er den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn. Die Tür schwang auf.
    Ich vergaß zwischen meinen Besuchen immer wieder, wie klein und kahl Rafis Zelle war. Vergessen machte die ganze Sache wohl erträglicher. Der Raum war im Grunde ein Würfel mit drei Metern Kantenlänge. Keine Möbel, denn selbst wenn sie auf dem Boden festgeschraubt waren, konnte Rafi sie herausreißen und benutzen, und bei Stanger arbeiteten noch immer Leute, die sich an das letzte Mal erinnern konnten, als das geschah. Im Zweifelsfall nein, lautete ihre leidenschaftliche Überzeugung. Die Wände und die Decke waren weiß verputzt, doch unsichtbar darunter befand sich eine Schicht aus einer Mischung aus Silber und Stahl im Verhältnis eins zu zehn. Fragen Sie mich nicht, was das gekostet hat. Es war der Hauptgrund, weshalb ich arm war. Auf dem Fußboden war das Metall noch nicht einmal abgedeckt. Es schimmerte matt zwischen alten Schuhspuren.
    Rafi saß im Lotussitz in der Ecke. Das lange, strähnige Haar hing ihm ins Gesicht und verbarg es komplett. Aber er sah beim Geräusch meiner Schritte auf, teilte den Vorhang und lächelte mich an. Jemand hatte einen seiner Arme aus der Zwangsjacke befreit und ihm ein Kartenspiel gegeben. Die Karten waren vor ihm auf dem Boden im Muster einer Uhrpatience ausgebreitet. Scharfkantig, kunststoffbeschichtet. Nach meinen Erfahrungen war das eine schlechte Idee. Ich nahm mir vor, Carla zu bitten, Webb stellvertretend für mich eins in den Nacken zu geben und ihn zu fragen, was er sich dabei gedacht hatte.
    »Felix!«, grollte Rafi mit einer seiner ekligeren Stimmen – jedes Wort kehlig und so guttural, dass es klang wie verzögerte Schrotsalven. »Ich fühle mich geehrt. Ich bin ja so privilegiert. Komm rein! Los! Sei nicht schüchtern!«
    »Wenn er Ihnen Probleme macht«, sagte Paul träge und sachlich, »dann rufen Sie, ja?« Er schloss die Tür hinter mir, und ich hörte, wie sich der Schlüssel wieder drehte.
    Rafi sah mich schweigend und erwartungsvoll an. Ich ließ meinen Mantel aufklaffen und legte die Finger auf die Tasche, in der die Tin Whistle steckte. Das oberste Stück glänzenden Metalls wirkte vor dem Hintergrund des grauen Innenfutters wie halb erloschene Glut. Er seufzte, als er es bemerkte, ein Seufzer mit rauem Unterton.
    »Wirst du eine Melodie spielen?«, wisperte er, und es war für einen Moment der echte Rafi, nicht Asmodeus, der sich Rafis Stimme bediente.
    »Schön, dich zu sehen, Rafi«, sagte ich. »Ja, ich spiele dir gleich etwas vor. Damit du ein wenig Frieden findest – oder zumindest mal den Kopf freibekommst.«
    Rafis Antlitz verzerrte sich abrupt – es schien zu zerfließen und sich zu einem brutalen Feixen umzuformen. »Du Scheißkerl!«, knurrte die

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