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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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hatte Damjohn daraufhin gefragt. »An Menschenhandel? An Maßnahmen, um Minderjährige zur Prostitution zu zwingen?« An diesem Punkt wäre Rich fast zusammengebrochen. Er hatte keine Ahnung gehabt, dass eines der Mädchen, die er eingefangen hatte, noch minderjährig war. Sie hatte ihn, was ihr Alter betraf, belogen und einen gefälschten Ausweis benutzt, um sich einen Reisepass zu beschaffen. Jetzt erkannte er die Gesetzwidrigkeit dessen, was er getan hatte, und begriff zugleich, dass es nichts gab, womit er sein Tun hätte entschuldigen können. Er bat darum, dass Damjohn ihm erlaubte auszusteigen – dass er ihn aus seinen Büchern strich. Er wollte wieder zu dem zurückkehren, was er kannte, und diese andere Welt mit ihren tückischen Klippen und Untiefen möglichst vergessen.
    Er hätte sich seine Bitten sparen können. Damjohn hatte seinen Entschluss gefasst, und es geschah, wie er es angedeutet hatte. Es war ein hässliches Gefühl, erkennen zu müssen, dass man bis über den Kopf in einem Tümpel steckte, in dem man nur ein wenig herumzupaddeln geglaubt hatte. Rich hatte sich in dieser Nacht buchstäblich in den Schlaf geweint. Mein Mitleid mit ihm hielt sich in engen Grenzen.
    Er hatte Bedingungen gestellt. Die Räume wären nur bei Nacht zugänglich, sie durften stets nur von einem einzigen Mädchen benutzt werden, und als Scrub eines Abends mit zwei schweigenden Männern mit Werkzeugkisten erschien, um einige Umbauten vorzunehmen, hatte Rich für sich das Recht beansprucht, zugegen zu sein und ihnen über die Schulter zu blicken und sie mit eigenen Vorschlägen zu belästigen, während sie ihre Arbeiten erledigten. Der in den Fußboden einzementierte Eisenring war seine Idee gewesen. Jegliche Schallisolierung wäre nichts wert gewesen, wenn es einem der Mädchen gelungen wäre, in einen der oberen Räume zu gelangen und gegen die Tür zur Straße zu trommeln.
    Ein oder zwei Monate danach begann die regelmäßige Nutzung des Raums. Rich erfuhr erst davon, als man das erste Mädchen – eine Kroatin, die von einem der anderen Talentscouts Damjohns rekrutiert worden war – in den Räumen untergebracht hatte. Anfangs litt er furchtbar unter dem Wissen, dass sie dort festgehalten wurde. Nach einiger Zeit nahm seine Furcht ab, aber er fand immer noch fadenscheinige Gründe, um an der inneren Wand, die zum Kellerraum auf der Bonnington-Seite gehörte (es war der blind endende Korridor, in dem ich eine bedrückende Konzentration von Leid und Unglück aufgespürt hatte), entlangzugehen und sich lauschenderweise davon zu überzeugen, dass die Schallisolierung wunschgemäß wirksam war. Er schlief unruhig und schreckte oft aus Träumen hoch, in denen er verhaftet und in eine Arrestzelle gesperrt wurde, die aussah wie der Kellerraum mit seiner nackten Matratze.
    Aber das Mädchen hatte nur vierzehn Tage in dem Raum aushalten müssen, ehe sie in eines der Apartments gebracht wurde. Damjohn hatte Rich weiter nach Osteuropa reisen lassen. Ein zweites und ein drittes Mädchen war in den geheimen Räumen einquartiert worden, und die unbarmherzige Selbstverständlichkeit dieser Prozedur betäubte sein Unbehagen und sorgte dafür, dass er sich nach und nach an diese neue Routine gewöhnte.
    Die Probleme kamen beim vierten Mal. Es war dieses vierte Mal, das alles zunichtemachte. Wenn alle guten Dinge drei waren, dann waren vier ein Fluch. Rich verstummte erneut, als sein Geist sich nahezu fühlbar gegen den Sog der Erinnerung stemmte. Sein Atem beschleunigte sich und wurde flach, und er begann heftiger als zuvor zu zittern.
    »Wie lautete ihr Name?«, fragte ich flüsternd. Er gab keine Antwort, aber in diesem Augenblick spürte ich ihre Ankunft am Rand meines Wahrnehmungsbereichs. Nicht im Raum; noch nicht. Aber nahe und ständig näher kommend. »Wie hieß sie?«
    »Es waren zwei«, flüsterte er und schrumpfte buchstäblich zusammen. »Schwestern. Snezhna und Rosa. Zwei auf einmal! Ich konnte mein verfluchtes Glück nicht fassen. Gott, ich wünschte, ich hätte sie nie kennengelernt! Ich wünsche bei Gott, ich …«
    Zu diesem Zeitpunkt arbeitete er schon seit zwei Jahren für Damjohn. Er war ein alter Hase und ein so integrales Element der gesamten Operation, dass er seine eigenen Bankkonten hatte, von denen er sich bedienen konnte – eins bei einer tschechischen Privatbank, das andere bei einer russischen. Er hatte sein Verfahren in Moskau, Vilnius und St. Petersburg perfektioniert, und die Erfahrung gemacht, dass

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