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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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einzupacken. Bei dem, was ich plante, hatte ich nur einen Versuch, und die Zeit war ziemlich knapp, daher musste ich sichergehen, dass ich auf alles vorbereitet war. Da inzwischen sechzig Minuten verstrichen waren, würde Damjohn sicherlich auf die Uhr schauen und sich fragen, wo Rich aufgehalten worden war. Höchstwahrscheinlich hatte ich kein allzu großes Zeitfenster, ehe er begriff, dass Rich wohl nicht kommen würde, und sich zu fragen begann, wohin Rich sich stattdessen begeben haben mochte. Das mochte bei ihm den allgemeinen Wunsch wecken, lose Enden zu beseitigen, ehe sie total ausfransten. Ich beschleunigte meine Schritte, als ich an Antiquitätenläden, Möbelboutiquen und Schmuckgeschäften vorbeiging.
    Nachdem ich den hohen, eleganten Turm des Conrad umrundet hatte, gelangte ich zum Eingang des Jachthafens. Dort stand ein Wachhäuschen, aber der operettenhaft uniformierte Wachposten telefonierte gerade und bemerkte mich gar nicht, als ich an ihm vorbei das Hafengelände betrat. Ich vermutete, dass Damjohns Jacht hier vor Anker lag, denn bis zu dem Pub, in dem Scrub, Arnold und McClennan sich getroffen hatten, war es ein Fußweg von kaum zehn Minuten, und da Rich bestätigt hatte, dass Damjohn mit ihm dieses Hotel aufgesucht hatte, um ihn zum Essen einzuladen, reichte mir als Sicherheit, um Rosa ebenfalls hier zu vermuten. Wenn ich das Ganze von einer anderen Warte aus betrachtete, war mir klar, dass wenn das Boot nicht hier war, ich dann nicht wüsste, wo ich sonst danach suchen sollte, und ich wäre bereits gescheitert, ehe ich richtig angefangen hatte.
    Die meisten Liegeplätze waren mit dem vorderen Ende zum Haupthafen hin angeordnet, wo ich mich wenige Augenblicke später wiederfand. Es war ein weitläufiges Becken, geformt wie ein Dreiviertelkreis mit einer Lücke von etwa zehn Metern Breite zwischen den ausgestreckten Armen des Bootsstegs, hinter denen die Themse floss. Ich sah mich nach irgendeinem Hinweis um, wo ich anfangen sollte, und hegte die vage Hoffnung, dass es vielleicht eine Liste von Schiffen gab, die ich auf der Suche nach einer Inspiration hätte durchlesen können. Aber so etwas gab es nicht.
    Ich schritt über die Holzbohlen des Bootsstegs – die wahrscheinlich in Ostia von der Sonne gebleicht worden waren, ehe man sie in einzelnen Paketen hierher versandt und zusammengesetzt hatte – und warf einen Blick auf die jeweiligen Schiffsnamen. Mein einziger Hinweis war das, was Scrub laut Jasmin zu Rosa gesagt hatte: »Auf dich wartet jetzt die nette Lady.« Keins der Schiffe bis auf die Boadicea trug einen Frauennamen. Aber das wäre sicherlich zu weit hergeholt gewesen.
    Auf der anderen Seite des Jachthafens, hinter der Hafeneinfahrt, setzten sich die Liegeplätze entlang der Außenseite der Hafenmauer fort. Ich wandte mich in diese Richtung und unterzog auch hier jedes Boot einer kurzen Prüfung. Hier gab es einige leere Liegeplätze. Höchstwahrscheinlich waren sie weniger gefragt, weil sie von der Lots Road und ihrem pulsierenden Nachtleben weiter entfernt waren. Ein weiterer Frauenname: Baroness Thatcher . Nein. Gewiss eine noch weniger wahrscheinliche Kandidatin für den Titel »nette Lady« als Boadicea .
    Schließlich war auf dieser Seite des Jachthafens nur noch ein Boot übrig, das ich in Augenschein nehmen musste, und es war ein beachtliches Stück von den anderen entfernt. Wenn ich dort nicht fündig wurde, musste ich wohl oder übel umkehren und mein Glück auf der anderen Seite des Jachthafens versuchen. Aber schon aus gut sieben Metern Entfernung, als ich den Namen, der auf dem Rumpf aufgemalt war, entziffern konnte, wusste ich, dass ich das gesuchte Boot vor mir hatte. Es hieß Mercedes . Es war nicht nur das spanische Wort für gnadenvoll, sondern es war auch der Name der Frau, die ich in Damjohns Geist gesehen hatte, als ich ihm bei unserer ersten Begegnung die Hand geschüttelt hatte – der Frau, an die er so glückliche und zugleich blutige Erinnerungen hatte.
    Ich näherte mich jetzt etwas vorsichtiger, obgleich kein Fenster der Jacht erleuchtet war und sie völlig verlassen erschien. Aus drei Metern Entfernung entdeckte ich alle nötigen Beweise für meine Vermutung, als ich Scrub auf dem Oberdeck stehen sah. Er lehnte an der Heckreling und sah über den Fluss hinweg nach Battersea. Er hatte das Gesicht von mir abgewandt, aber Scrub war unverwechselbar, zumal er im warmen gelblichen Lichtschein einer viktorianischen Straßenlaterne komplett mit Schnörkeln und

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