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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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fuhr herum und erblickte mich.
    »Bei Mondschein siehst du aber nicht viel besser aus, Glöckchen«, sagte ich.
    Scrub fletschte die Zähne und brummte. Ich denke, das bedeutete, dass er sich freute, mich zu sehen. Er hob die Ellbogen von der Reling und richtete sich zu seiner vollen Größe auf, die in jeder Hinsicht so furchteinflößend war, wie ich sie in Erinnerung hatte.
    »Castor«, spie er aus.
    Ich erwiderte nichts darauf, sondern wich zurück, wobei es mir nicht schwerfiel, meinem Gesicht einen ängstlichen Ausdruck zu verleihen. Scrub machte einen Satz, und das wäre beinahe mein Ende gewesen. Er war viel schneller, als ich erwartet hatte, und wenn ich nur rückwärtsgegangen wäre, hätte er mich erwischt. Stattdessen sprang ich zur Seite und setzte über die Reling hinunter aufs Mitteldeck.
    Es war zu dunkel für akrobatische Übungen. Ich landete mit gespreizten Beinen und kämpfte mich wieder hoch, während Scrub den Verbindungsgang herunterstürmte. Er hatte mich jetzt von der Gangway abgeschnitten, daher stieg ich auf eins der Speigatts und wagte einen weiteren todesmutigen Sprung hinunter auf den Bohlengang unter mir. Das Brecheisen lag noch immer in meiner Hand, und als zusätzlichen Bonus schaffte ich es, zu vermeiden, mir damit das Bein zu brechen. Scrub kam jetzt in gemütlichem Tempo den Aufgang herunter. Er hatte mich in dem kleinen Sackgassenbereich hinter der Mercedes in die Enge getrieben, wo es keinen anderen Weg als abwärts ins Wasser gab.
    »Sie kleiner Wichser«, grollte er kehlig. Neunzig Sekunden vorbei.
    Ich machte ein paar Probeschläge mit dem Brecheisen, die, wie ich hoffte, achtunggebietend durch die Luft pfiffen. Aber Scrub lachte nur und setzte sich schwankend in Bewegung, um auf der Gangway auf mich zuzukommen. »Ich wünschte, Sie wären bei der Flöte geblieben«, sagte er mit einem schrecklichen Feixen. »Ich hatte mich schon darauf gefreut, sie Ihnen irgendwann in die verdammte Gurgel zu rammen.«
    Ich wich zurück und schob die freie Hand in die Tasche. »Scrub«, warnte ich ihn. »Ich habe eine Geheimwaffe. Zufällig liegt sie hinter Ihnen.«
    Er ignorierte das und kam weiter auf mich zu. Ich hatte gehofft, das Brecheisen werde ihn ein wenig aufhalten, aber er musste schon von stärkeren Männern bedroht worden sein und hatte sie sicher alle zum Frühstück verschlungen. (Ich wünschte, mir wäre ein anderes Bild eingefallen.) Ich zog die Hand aus der Tasche. Der Metallbügel über meinen Knöcheln glitzerte im Licht der Straßenlaterne. Scrubs Blick richtete sich darauf – nicht besorgt oder wachsam, sondern allenfalls leicht neugierig.
    »Sie ist aus Silber«, sagte ich. »Sie wissen, wie Silber auf Ihresgleichen wirkt. Also bleiben Sie auf Distanz.«
    Scrub zuckte massiv die Achseln. Eine seiner großen Pranken streckte sich mir mit gespreizten Fingern entgegen. Da ich keine anderen Möglichkeiten hatte, blockte ich ab und schlug mit der Handschelle zu. Das Metall streifte die Haut an seinem Handgelenk, und er zuckte zusammen, als er den Schmerz spürte. Er zögerte, machte einen Schritt rückwärts. Ich folgte ihm und nutzte die kurze Pause, um mein Gleichgewicht zu verlagern. In diesem Augenblick griff er an.
    Es war wie der Sturmlauf eines wilden Stiers: ohne Raffinesse, aber mit jeder Menge Schwung. Sein Unterarm traf mich zuerst und hob sich mit seinem gesamten Gewicht dahinter. Dieser ungezielte, fast nachlässig ausgeführte Schwinger hob mich vom Laufgang hoch und schleuderte mich drei Meter weit durch die Luft. Ich landete am Ende der Beplankung auf dem Rücken. Mein Kopf hing über dem Wasser, und die Luft wurde mit einem einzigen zischenden Seufzer aus meiner Lunge gepresst.
    Ich spannte mich, um mich zur Seite zu rollen, aber Scrub hatte mich erreicht, ehe ich mich rühren konnte. Sein Fuß stellte sich auf meine Brust, nagelte mich auf dem Untergrund fest und jagte einen elektrisierenden Schmerz durch meine gepeinigten Rippen. Er sah auf mich herab, während eine Hand in seiner Jackentasche herumwühlte und mit einem Messer zum Vorschein kam. In der Hand jedes anderen wäre es wie ein Schwert erschienen – ein Langdolch mit breiter Klinge und gebogener Spitze. Scrub bückte sich, raffte mit einer Hand die Aufschläge meines Mantels zusammen und hievte mich in eine halb sitzende Position hoch. Die Klinge berührte meine Wange.
    »Das wird mir ein verdammtes Vergnügen sein«, grollte Scrub.
    Hundertzwanzig.
    Die ersten Takte Musik durchschnitten die

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