Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
Vom Netzwerk:
einem nicht mehr funktionierenden Gasglühstrumpf stand. Ich wusste schon, dass Scrub stark und hinterhältig war. Ich erwartete nicht, dass fließendes Wasser ihn ablenken konnte, obgleich es ihn in eine fahrige, gereizte Unruhe versetzen würde. Aber davon war ihm in seiner absoluten Reglosigkeit, seiner tiefen, unergründlichen Ruhe nichts anzumerken.
    Ich sah an der Mercedes vorbei zum Ende des Steges. Dort war nichts Ungewöhnliches zu sehen. Der Bohlengang hörte etwa sieben Meter weiter einfach auf, wo sich höchstwahrscheinlich ein letzter unbenutzter Liegeplatz befand. Wie es bei der Anordnung spezieller Schauplätze oft der Fall war, war es alles andere als perfekt, und diese Sackgasse konnte sich für mich als problematisch erweisen, falls irgendetwas schiefging. Aber man muss stets das Beste aus dem machen, was man vorfindet.
    Ich zog mich vom Steg zurück und drückte mich in den Schatten des letzten Boots, an dem ich vorbeigegangen war – es war die Baroness Thatcher . Ich fragte mich unpassenderweise, welchem Tory-Granden das Boot gehörte und welche abartige Fantasie ihn dazu gebracht hatte, sein Spielzeugboot nach der Eisernen Lady zu benennen. Andererseits, vielleicht war es auch nur ein ehemaliger Schlappschwanz, der jedes Mal, wenn er sich gegen die Ruderpinne lehnte, nostalgische Glücksgefühle verspürte, wenn er sich auf diese Art beweisen konnte, dass man die Eiserne Lady am Ende doch von ihrem Kurs abbringen konnte.
    Ich zog die Schuhe aus und legte den größten Teil meines Werkzeugs ab – die Dietriche und den Bolzenschneider. Das Brecheisen behielt ich. Ich hatte die besten Chancen, diese Begegnung zu überleben, wenn Scrub mich nicht kommen sah. Jemand hat mir mal einzureden versucht, es gäbe eine walisische Kampftechnik namens Llag-Goch, die einen in die Lage versetzte, seinen Widersacher auszuschalten, ehe er überhaupt begriff, dass man existierte. Genau so etwas wünschte ich mir jetzt.
    Ich kramte in meinen Taschen, überprüfte, ob sich die Handschelle noch dort befand, wo ich sie sofort finden konnte, und holte dann meine Geheimwaffe heraus. Es hatte keinen Sinn, sie hier aufzustellen. Es war zu weit entfernt. Ich tappte lautlos über den Bohlengang in Richtung Mercedes und wickelte dabei das Seil ab, das sich ein wenig verheddert hatte. Es war am Ende mit einem Gewicht beschwert wie eine Bola, aber es war natürlich etwas völlig anderes. Scrub hatte sich noch immer nicht umgedreht, was sich, wenn ich ein wenig Glück hatte, damit erklären ließ, dass er in das versunken war, was man bei normalen Menschen als Gedanken bezeichnete.
    Knapp zehn Meter vom Boot entfernt stoppte ich und ging auf die Knie. Ich legte das flache Objekt an der Kante des Bohlengangs ab, wo es nicht gleich ins Auge fiel. Ich wickelte die Schnur ganz ab und drückte den Startknopf. Ich hatte mir zwei Minuten Vorlauf gegönnt. Zwei Minuten erlaubten mir, dorthin zu gelangen, wo ich sein musste, und danach würden wir sehen, wie es sich entwickelte. Wenn mein Timing halbwegs richtig war, käme ich aus dieser Sache heraus und hätte immer noch den Kopf auf den Schultern.
    Drei weitere Schritte brachten mich zum Aufgang der Mercedes . Sie war ein großes Schiff. Mercedes war auch eine große Frau gewesen, möge sie in Frieden ruhen. Ich sah drei Decks, und auf dem untersten – das ich von dort, wo ich stand, ungehindert überschauen konnte – gab es eine Tür, die augenscheinlich zu den Kabinen führte. Ich spielte mit dem Gedanken, meine Dietriche hervorzuholen und ihr zu Leibe zu rücken. Es sah lächerlich einfach aus. Aber nein. Es war zu riskant, Scrub im Rücken zu haben. Es hatte keinen Sinn, in das Boot einzudringen, wenn Scrub noch auf den Beinen war und den Weg nach draußen versperrte – und in der Zwischenzeit verstrichen meine zwei Minuten.
    Daher stieg ich die Stufen des Verbindungsgangs zum Mitteldeck hinauf und ging gleich weiter zum Oberdeck. Das Brecheisen in meiner Hand vermittelte mir durch sein Gewicht ein Gefühl von Schutz, aber ich vertraute nur in geringem Maß darauf. In Gedanken zählte ich die Sekunden herunter, und vierzig waren bereits verstrichen. Ich sah Scrub vor mir, der immer noch nachdenklich die ikonenhaften Schornsteine der Battersea Power Station betrachtete.
    Ich machte ein paar leise Schritte in seine Richtung und hatte das Brecheisen zum Schlag erhoben. Dann, als ich nur noch drei Meter von ihm entfernt war, setzte ich meinen Fuß stampfend auf. Der große Mann

Weitere Kostenlose Bücher